Präsident mit zwei Gesichtern
Während der Winter die südkasachische Metropole Almaty fest im Griff hält, wird die Bevölkerung eingestimmt auf einen neuen Feiertag am 1. Dezember: den „Tag des ersten Präsidenten der Republik Kasachstan“. Der erste Präsident ist bislang auch der einzige: Seit Erlangung der Unabhängigkeit im Jahr 1991 wird das zentralasiatische Land vom inzwischen 72-jährigen Nursultan Nasarbajew regiert. Milde lächelt er von Plakaten auf die Passanten herab, darunter die Aufschrift: „Eine Heimat! Ein Schicksal! Ein Führer!“
Für den „Führer der Nation“ erfüllte sich dieser Tage ein Traum. Die von ihm gegründete neue kasachische Hauptstadt Astana darf 2017 mit dem Thema „Energie der Zukunft“ die Weltausstellung Expo ausrichten. Ein weiterer Erfolg für Nasarbajew auf internationalem Parkett, nachdem das Land in diesem Monat bereits in den UN-Menschenrechtsrat gewählt wurde.
Der Westen lobt Nasarbajew
Neben Kritikern hat Nasarbajew durchaus auch Anhänger im Westen. So arbeitet der ehemalige britische Premier Tony Blair für ihn als Berater. Und Claude Salhani, der für die Washington Times aus Astana berichtete, ist in seinem 2011 erschienenen Buch „Islam ohne Schleier“ voll des Lobs über Nasarbajew. Unter seiner Führung habe sich Kasachstan, umgeben von einem Meer aus Turbulenzen, erfolgreich aus dem sowjetischen Totalitarismus navigiert.
Salhani schrieb diese Zeilen allerdings vor den tragischen Ereignissen vom Dezember 2011, als bei einem Ölarbeiterstreik im westkasachischen Schanaosen mindestens 14 Menschen getötet wurden. Nasarbajew versprach damals eine Aufarbeitung der Ereignisse. Tatsächlich wurden einige Funktionäre und Polizisten verurteilt, aber kürzlich erhielt auch Oppositionsführer Wladimir Koslow siebeneinhalb Jahre Haft, da er die Unruhen angestachelt hätte.
Medien unter Druck
In der Urteilsbegründung wurden auch die beiden Zeitungen „Wzgljad“ und „Golos Respubliki“ als „extremistische Medien“ bezeichnet. Und da das Urteil gegen Koslow inzwischen rechtskräftig sei, so die Logik der Staatsanwaltschaft, müssten auch die entsprechenden Medien geschlossen werden.
Nachdem ein Gericht in Almaty am Donnerstag die Verbreitung von „Golos Respubliki“ für Kasachstan untersagt hatte, war die sofortige Beschlagnahmung der aus Moskau eingeflogenen Auflage noch am Flughafen erwartet worden. Diese blieb jedoch zunächst aus, „Golos Respubliki“ lag am Freitag wie gewohnt an den Kiosks und Chefredakteurin Tatjana Trubatschewa konnte eine eilig zusammengetackerte Notausgabe bei einer Pressekonferenz als „historisches Exemplar“ verteilen.
Endgültiges Aus für regimekritische Zeitung
Derlei Notausgaben haben bei der Zeitung, für die sich in Kasachstan keine Druckerei findet, bereits eine gewisse Tradition. Und so kommentiert auch Bodo Lochmann, der als Hochschullehrer seit über einem Jahrzehnt in Kasachstan tätig ist, unaufgeregt: „Mit der „Respublika“ geht es ja schon seit Jahren hin und her“.
Tatjana Trubatschewa zufolge war die Ausgabe vom Freitag allerdings tatsächlich die vorerst letzte, von nun an fehle eine rechtliche Grundlage. Man werde im Internet weitermachen, wisse aber noch nicht genau, wie. Die Organisation „Reporter ohne Grenzen“, die Kasachstan in ihrer Rangliste der Pressefreiheit auf Platz 154 von 179 führt und Nasarbajew zu den größten Feinden der Pressefreiheit weltweit zählt, kündigt für diesen Fall bereits an, man werde sich für eine Aberkennung des kasachischen Sitzes im UN-Menschenrechtsrat einsetzen.