Tschechien

Herdprämie auf Tschechisch

Für Veronika Kindlova war von Anfang an klar: Sie wollte zu Hause bleiben, bis ihr Sohn Tomas zwei Jahre alt ist. Inzwischen kann Tomas schon einige Monate laufen, und das Sprechen klappt auch immer besser. Seine Mutter kann sich trotzdem nicht vorstellen, ihn jetzt schon in eine Betreuungseinrichtung zu geben. „Das würde mir leid tun, er ist doch noch so klein“, sagt sie. Ein bisschen bedauert sie sogar, nicht drei Jahre zu Hause bleiben zu können. „Ich musste zu Beginn festlegen, ob ich zwei, drei oder vier Jahre Elternzeit nehmen will. Wir entschieden uns für die kürzeste Zeit, da dann das Elterngeld pro Monat höher ist“, so die 35-jährige. Damals konnte sie nicht ahnen, dass ihr Mann bald darauf eine besser bezahlte Stelle bekommt.

Drei Jahre Elternzeit sind üblich

So wie Veronika Kindlova denken in Tschechien die meisten Frauen. Drei Jahre Elternzeit ist völlig normal. Es gibt zwar keine offizielle Statistik. Dafür aber ein nur rudimentäres Betreuungsangebot für Kinder unter drei Jahren. Der Bedarf ist schlicht zu gering. Vor allem aber macht es das für tschechische Verhältnisse großzügige Elterngeld leichter, Kinder bis zum dritten Lebensjahr zu Hause zu betreuen. Seit Januar bekommen Eltern je nach Einkommen maximal 220.000 Tschechische Kronen (ca. 8.800 Euro) zur Verfügung gestellt und können dann selbst entscheiden, wann sie wieder ins Arbeitsleben zurückkehren. Vor dem Elterngeld besteht zudem lange 28 Wochen Anspruch auf Mutterschutz, in dem 70 Prozent des letzten Gehalts ausgezahlt werden. Dieses System führt aber auch dazu, dass Frauen mit zwei Kindern bis zu sechs Jahre ihres Lebens Auszeit vom Beruf nehmen. Veronika Kindlova findet das nicht dramatisch. „Es gibt wichtigere Dinge als Karriere“, entgegnet sie.

Väter haben keinen Anspruch auf Elternzeit

Die Reporterin beim Tschechischen Rundfunk gibt jedoch zu, dass es bei einer so langen Zeit hilfreich ist, sich für den Beruf auf dem Laufenden zu halten. Deshalb produziert sie seit ihr Sohn ein Jahr ist wieder eine kleine Sendung. „Das kostet mich maximal einen Tag in der Woche“, sagt sie. Dafür braucht sie ein intaktes Umfeld, das ihr durch ihren Mann geboten wird. „Montags ist deshalb immer Papa-Tag, da bin ich im Studio, während mein Mann so eine Art Heimbüro hat“, erklärt sie das Abkommen. In Wirklichkeit kümmert er sich um den kleinen Tomas.

Das ist in Tschechien nicht selbstverständlich. Während Mütter bis zu vier Jahre unkündbar sind, haben Väter in Tschechien keinen Anspruch auf Elternzeit. Kein Wunder, dass nur ein Bruchteil der Väter das ihnen zustehende Elterngeld abruft. Doch ihr Anteil wächst spürbar, wenn auch auf niedrigem Niveau. In den letzten zehn Jahren hat er sich auf 1,76 Prozent fast verdoppelt.

Auf die Babicka ist Verlass

Dafür steht ein anderes Familienmitglied scheinbar immer zur Verfügung: die Oma. Auf die „babicka“, wie sie auf Tschechisch heißt, ist quasi von Geburt an Verlass. Sie ist Teil der Lösung des Rätsels, warum es in Tschechien kaum Krippenplätze braucht. Auch Veronika Kindlova wird gern auf ihre Mutter zurückgreifen, sobald sie wieder arbeiten geht. „Sie ist schon in Rente und wohnt in der Nähe. Sie würde Tomas zwei Tage die Woche nehmen, den Rest der Zeit will ich versuchen, ihn in einer privaten Krippe in der Nähe des Rundfunks unterzubringen“, plant sie. Und wenn das nicht klappt? Dann muss Oma wohl ganz ran.

Betreuungsplätze sind in Tschechien aber auch für Dreijährige rar. Vor allem in den Städten ist der Mangel groß. Veronika Kindlova betrifft das jedoch nicht. „Wir wohnen auf dem Dorf. In der dortigen Kita haben wir unseren Platz schon sicher“, sagt sie. Am liebsten wäre ihr aber, wenn sie ihren Job in Teilzeit machen könnte. „Das ist in Tschechien bisher unüblich“, so Kindlova.

Den Wirbel in Deutschland um das geplante Betreuungsgeld, das Eltern unterstützen soll, die länger mit den Kindern zu Hause bleiben wollen, kann sie aber nicht verstehen. „Wenn ich daran denke, dass meine Mutter nur wenige Wochen nach der Geburt schon wieder hätte arbeiten gehen müssen, dann geht es uns heute traumhaft“, findet sie. Auswirkungen auf die Geburtenzahl hat das übrigens nicht. Wie in anderen postkommunistischen Ländern brach diese nach 1989 zunächst ein. Heute liegt Tschechien mit einer Geburtenziffer von 1,5 im europäischen Mittelfeld.


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