Ukraine

Nachhilfe für Gastronomen

Michelle Diesel steht im grünen Dirndl am Zapfhahn der Berufsschule von Lwiw (Lemberg). Um sie herum haben sich ukrainische Gastwirte versammelt und beobachten, wie die Wirtin aus Österreich Bier zapft. „Ich halte das Glas im Winkel von 45 Grad, mache es nicht ganz voll und stelle es kurz ab. Die Schaumkrone kommt erst später“, erklärt Diesel.

Eigentlich unterrichtet Michelle Diesel an der Landesberufsschule Salzburg. In der Ukraine gibt sie nun Nachhilfe in Sachen Servicementalität. Lwiw ist ein Austragungsort der bevorstehenden Fußball-EM, die im Juni 2012 in Polen und der Ukraine stattfindet. Durchgeführt werden die Schulungen von der Deutschen Gesellschaft für Internationale Zusammenarbeit (GIZ). „Wenn man hier in die Kneipe geht, bekommt man entweder warmes Bier oder das Glas ist nicht voll. Auch die Wartezeit ist zu lang“, erläutert Mathias Brandt, Marketing-Experte der GIZ. „Verzögerungen oder schlechte Bedienung könnten bei den Fans zu Aggressionen führen. Deswegen werden die Servicekräfte von uns geschult.“

Die Qualität der Bedienung ist dabei noch das geringste Problem vor der EURO 2012. Erst Ende Oktober wurde die Arena Lwiw als letztes von insgesamt vier ukrainischen EM-Stadien eingeweiht. Mit 35.000 Sitzplätzen ist die Arena das kleinste Stadion der Europameisterschaft 2012. Doch es werden Monate vergehen, bis alles fertig ist: Derzeit schweben über der Arena noch die Baukräne, um die fehlenden Stücke am Dach zu montieren. Bei der Eröffnungsfeier störten lose Kabel und Bauschutt die Gäste. Als Zufahrt zum Stadion dienen Feldwege. „Man muss schon gestehen, dass die Arbeiten sich verzögert haben. Wir werden es aber schaffen. Schließlich haben wir keine andere Wahl“, sagt Wolodimir Onischtschuk, Projektleiter der Arena Lwiw.

Neben der fehlenden Infrastruktur rund um das Stadion gibt es allerdings Probleme, die sich bis zum ersten Anpfiff am 8. Juni 2012 nicht lösen lassen. Bis jetzt ist unklar, wo die Fußballfans übernachten sollen. Für GIZ-Manager Mathias Brandt ist die Lage katastrophal. „Auf 1.000 Einwohner kommen in der Ukraine knapp zwei Hotelbetten. In Polen, das mit der Ukraine die EM organisiert, sind es 24 und in solchen Ländern wie Italien sogar 35.“

In Lwiw dagegen bewertet man die Vorbereitungen zur EM positiv. Noch im Mai 2010 war das Stadion erst zu zehn Prozent fertig gestellt. Riesige finanzielle Mittel und Arbeit rund um die Uhr brachten die Investition voran. Allerdings sind dadurch enorme Kosten entstanden. Statt der ursprünglich veranschlagten 90 Millionen soll die Arena nun insgesamt 220 Millionen Euro kosten.

Die Einwohner von Lwiw sind allerdings überzeugt, dass diese Maßnahmen sich lohnen. „Solche Entwicklungschancen wie jetzt werden wir nie mehr haben“, meint Andrij Kardasz, Direktor einer Bildungseinrichtung. „Ich glaube, es wird alles gut funktionieren. Bei uns wurde schon immer alles in der letzten Minute gemacht. So ist unsere Mentalität.“


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