Die letzten Soldaten ziehen ab
Der gnädige Wettergott lässt die deutsche Flagge noch einmal kräftig in der Abendsonne flattern. Unter den Klängen der europäischen und deutschen Hymnen wird sie ein letztes Mal eingeholt, eingerollt und tritt nun die Heimreise an. Mit ihr verlassen auch die beiden letzten noch verbliebenen Bundeswehrsoldaten das Camp Butmir der Friedenstruppe EUFOR im bosnischen Sarajevo.
Damit geht der erste und bislang längste Bundeswehr-Auslandseinsatz nach 17 Jahren zu Ende. Über 50.000 deutsche Soldaten waren im Laufe der Jahre auf bosnischem Boden stationiert. Oberstleutnant Markus Demann ist einer der beiden letzten von ihnen. “Es war ein wichtiger Teil meines Lebens, hier in Bosnien,” sagt er. Unterbrochen von ständigen Verabschiedungen von ungarischen, italienischen oder österreichischen Kameraden preist er die multinationale Atmosphäre der Mannschaft. 24 Nationen sind hier gemeinsam im Einsatz. “Nein, ab jetzt nur noch 23”, verbessert er sich.
Nicht mehr abseits stehen und dem Morden zusehen
Das Land, das an seiner Multinationalität leidet und zugleich stolz auf sie ist, hat den NATO-Staaten im Laufe der vergangenen Jahre damit geholfen, selbst multinationale Zusammenarbeit zu erlernen. Am Anfang, 1995 war noch überhaupt nicht abzusehen, wie sich alles entwickeln würde. Der erste Auslandseinsatz der Nachkriegszeit kam erst nach heftigen innenpolitischen Debatten in Deutschland und nach einem schwer errungenen Beschluss des Bundestages zustande. Erst die rund 8.000 Toten im bosnischen Srebrenica ließ die Stimmung in Deutschland damals kippen. Deutschland wollte und konnte nicht mehr abseit stehen und dem Morden zusehen.
Heute, nach 17 Jahren, stellte sich der Einsatz in Bosnien und Herzegowina als der am wenigsten gefährliche heraus. Nach allen Maßstäben wird er als Erfolg gewertet, denn heute herrscht Frieden im Land. 18 deutsche Soldaten sind in Bosnien gestorben, aber keiner in Kampfhandlungen. Die Belastung für die Soldaten war am Ende vor allem psychische, etwa für diejenigen, die am Ausgraben der Massengräber des Krieges beteiligt waren.
Etwas zum Frieden beigetragen
Aber all das war am Anfang nicht abzusehen. Als der Friedensvertrag von Dayton 1995 endlich den über drei Jahre dauernden Krieg beendete, konnte keiner ahnen, dass in Bosnien keine Schüsse auf ausländische Soldaten abgefeuert würden, anders als im Kosovo - und von den offenen Kämpfen in Afghanistan ganz zu schweigen. Die Militärplaner konnten damals nur daran erinnern, auf welchen Widerstand ausländische Armeen in früheren Kriegen gestoßen waren.
Heute verlässt Oberstleutnant Demann das Land mit dem Gefühl, etwas zum Frieden beigetragen zu haben. Während sich seine Kameraden vor 17 Jahren noch darauf vorbereitet hatten, auf Widerstand einheimischer Soldaten zu stoßen, hat Demann die vergangenen neun Monate vor allem in den bosnisch-herzegowinischen Streitkräften verbracht, um sie zu schulen und zu trainieren. „Das Ziel ist, die bosnischen Streitkräfte mit den NATO-Standards vertraut zu machen, damit sie künftig selbst bei gemeinsamen NATO-Einsätzen in Krisengebieten dabei sein können. „Erst kürzlich haben wir bosnische Offiziere für den Einsatz in Afghanistan vorbereitet.“
Die Armee ist weiter als die Politik
Inzwischen sind diese, die sich vor 20 Jahren noch bitter bekämpft haben, wenigstens zum Teil integriert. „Es gibt heute immerhin einige multinationale Einheiten bei den bosnischen Streitkräften“, sagt Demann. „Im Generalstab arbeiten muslimische, serbische und kroatische Generäle in einem Büro zusammen“. Und bei einer Katastrophenübung unter realen Bedingungen sei von den anfänglichen Spannungen zwischen den bosnischen Soldaten nach den gefährlichen Übungen am Ende nichts mehr geblieben. „Die Streitkräfte haben in Bosnien und Herzegowina eine Vorreiterrolle übernommen“, folgert Demann. Beim Zusammenarbeiten sind sie schon weiter als die bosnischen Politiker.
„Sie haben einen großartigen Job gemacht“, dankt die deutsche Botschafterin in Bosnien, Ulrike Maria Knotz den Soldaten. Aber die Arbeit sei damit noch nicht zuende. „Sie haben den Weg bereitet. Nun ist es an den Politikern in Bosnien, diesen weiter zu gehen.“