Hungerstreik im EM-Land
Die Menschenrechtsbeauftragte der ukrainischen Regierung, Nina Karpatschowa, kritisierte den Umgang mit der 51-jährigen Oppositionsführerin und forderte eine unabhängige Untersuchung der Ereignisse von Freitagabend. Karpatschowa erklärte heute auf einer Pressekonferenz in Kiew, sie habe Timoschenko gestern in ihrer Zelle besucht und „erhebliche, sichtbare Verletzungen am Körper Timoschenkos festgestellt“, so die Ombudsfrau für Menschenrechte.
Der Oppositionspolitiker und frühere Außenminister Arseni Jazenjuk sprach von einem „Mordversuch an Julia Timoschenko“. Er forderte Generalstaatsanwalt Viktor Pschoka dazu auf, zu den Vorfällen in der Strafkolonie 54, im Parlament Rede und Antwort zu stehen.
Die Regierung hingegen pocht darauf, sich an Gesetze gehalten zu haben. Bereits gestern erklärte die Staatsanwaltschaft in Charkiw, die Wachen, die Timoschenko am vergangenen Freitag zu einer Untersuchung in ein Krankenhaus gebracht haben, hätten zwar Gewalt angewendet, das sei aber alles im Rahmen der Gesetze geschehen. Heute legte der Fraktionsvorsitzende der Regierungspartei, Partei der Regionen, Alexander Jewremow, nach: „Der Fall Timoschenko würde aufgebauscht, die internationale Kritik sowie die Stellungnahme der Ombudsfrau sind nichts als Gefälligkeiten für Frau Timoschenko“, ätzte der Politiker.
Offenbar ist es in dem Frauengefängnis in der ostukrainischen Stadt Charkiw, dort, wo die deutsche Nationalmannschaft am 13. Juni die EURO 2012-Partie gegen die Niederlande bestreiten wird, zu gewalttätigen Übergriffen gekommen. Zahlreiche Politiker, darunter auch der Menschenrechtsbeauftragte der Bundesregierung, Markus Löning (FDP), appellierten an den Uefa-Präsidenten Michel Platini, sich für Timoschenko einzusetzen. Platini wies die Vorwürfe zurück. „Die Uefa ist keine politische Institution und wird nie eine sein. Dafür ist eine EM immer ein großes europäisches Festival, das Kontakte, den Austausch und Diskussionen auf allen Ebenen fördert.“
Julia Timoschenko hatte über ihren Anwalt Sergej Wlasenko gestern erklären lassen, dass seine Mandantin am Freitagabend von drei Männern gewaltsam in ein Krankenhaus gebracht worden war. Timoschenko hat bisher jede Behandlung durch die ukrainischen Behörden verweigert, weil sie kein Vertrauen in die vom Staat eingesetzten Ärzte hat. Nach kurzer Diskussion mit dem Anstaltsleiter sei Timoschenko am Freitag regelrecht „zusammengeschlagen worden“, berichtete ihr Anwalt.
Drei Männer hätten ihr in den Leib geschlagen, Arme und Beine verdreht und nachdem sie, der an einem Bandscheibenvorfall erkrankten 51-Jährigen, ein Bettlaken über den Kopf geworfen hätten, gemeinsam auf die eingeschlagen. „Ich dachte, meine letzte Stunde ist gekommen“, hat Timoschenkos in einem handschriftlichen Papier geschrieben, das auf der Partei-Website nachzulesen ist.
Mitglieder der Vaterlandspartei sind aus Solidarität mit der Vorsitzenden ebenfalls in einen unbefristeten Hungerstreik getreten. Bürger aus der Heimatstadt Timoschenkos, der ostukrainischen Stadt Dnipropetrowsk, wollen öffentliche Einrichtungen blockieren, sollte der Generalstaatsanwalt nicht zur Verantwortung gezogen werden.