Hetze auf Roma nach Mordfall
Die Eltern der Ermordeten hatten sich unmissverständlich ausgedrückt. In einer Presseerklärung baten sie die Öffentlichkeit darum, „den Namen unserer Tochter nicht zum Vorwand für Hetze, Hass oder die Wiedereinführung der Todesstrafe zu missbrauchen“. Doch selbst dieser mutige und bewegende Appell konnte die Welle des Hasses gegen Roma nicht aufhalten.
Ungarn in diesem Sommer: Der Mord an der 25-jährigen Polizeipsychologin Kata Bandy Anfang Juli in der südungarischen Stadt Pecs erschüttert das Land wie wenige Verbrechen der letzten Jahre, er ist das bestimmende Medienthema. Als sich herausstellt, dass der mutmaßliche Täter ein Rom ist, geht ein Aufschrei durch weite Teile der Öffentlichkeit.
Wiedereinführung der Todesstrafe
Die Roma werden kollektiv verantwortlich gemacht. Stellvertretend für die Haltung vieler schreibt der einflussreiche Rechtsaußen-Publizist Zsolt Bayer: „In diesem Ungarn erleben Millionen Menschen, dass die Zigeuner sie ausrauben, schlagen, demütigen und ermorden. Wenn die Zigeunergemeinschaft diese Mentalität ihrer Rasse nicht ausrottet, dann ist klar: Mit ihnen kann man nicht zusammenleben.“ Zugleich entbrennt eine Debatte um die Wiedereinführung der Todesstrafe, rechtsextreme Bürgerwehren marschieren gegen „Zigeunerkriminalität“ auf.
Die Juristin Eszter Jovanovics, die bei der Bürgerrechtsorganisation TASZ als Leiterin des Roma-Programmes arbeitet, ist vom Tenor der öffentlichen Stimmung im Fall Bandy nicht wirklich überrascht. „Leider ist die Presse immer voll mit Berichten über Straften, die Roma begangen haben, wobei dann die ethnische Zugehörigkeit der Täter betont wird“, sagt Jovanovics.
Als Kata Bandys Leiche am 11. Juli in Pecs gefunden wurde, herrschte zunächst nur Entsetzen über den Mord an der gutaussehenden jungen Frau, die am Beginn einer vielversprechenden Karriere im Polizeidienst stand. Die Stimmung kippte, als der 26-jährige Laszlo P. am 16. Juli als mutmaßlicher Täter verhaftet wurde: In vielen Medien wurde P. umgehend als „Mörder-Zigeuner“ gebrandmarkt und seine Lebensweise auf die rund 800.000 ungarischen Roma als Kollektiv projiziert. Laszlo P. war arbeitslos, lebte in überaus prekären Verhältnissen in einem heruntergekommenen Wohnhaus, ist mehrfach vorbestraft und hatte wegen Diebstahl und Raubes mehrere Jahre im Gefängnis gesessen.
Die "Ungarische Garde" marschiert wieder auf
Vor allem die rechtsextreme Partei Jobbik („Die Besseren“), die bei den Wahlen vor zwei Jahren 17 Prozent der Stimmen erhielt, nutzte den Fall Bandy: Sie führt derzeit eine Kampagne zur Wiedereinführung der Todesstrafe. Doch auch in der Regierungspartei „Bund Junger Demokraten“ (Fidesz) plädierten mehrere Politiker für „Hinrichtungen in Extremfällen“ – obwohl das gegen die ungarische Verfassung und gegen EU-Recht verstoßen würde.
Inzwischen marschieren auch Einheiten der verbotenen paramilitärischen „Ungarischen Garde“ wieder auf: Anfang August zogen rund tausend Rechtsextreme durch das Dorf Devecser in Westungarn, wenig später belagerten Mitglieder rechtsextremer Bürgerwehren tagelang ein Roma-Viertel in der Stadt Cegled südöstlich von Budapest, am vergangenen Samstag (25.8.) schließlich demonstrierten in Budapest Anhänger der verbotenen Garde gegen die „massenhafte Vermehrung von Zigeunern“.
Romafeindlichkeit ist fest verankert
„Wir fühlen uns ausgeliefert und schutzlos“, sagt der Budapester Roma-Aktivist Jenö Setet. „Der Mord an Kata Bandy ist schrecklich, aber noch schrecklicher ist, dass wir seitdem kollektiv für schuldig erklärt werden.“
Tatsächlich zeigen Umfragen und soziologische Studien, dass Antiziganismus in Ungarn inzwischen im Denken eines großen Teils der Bevölkerung fest verankert ist. „In Ungarn entwickelt sich immer mehr ein Rassengegensatz wie einst in den USA“, sagt Pal Tamas, einer der prominentesten ungarischen Soziologen.
Wie weit das geht, zeigt auch der Umgang des regierenden „Bundes Junger Demokraten“ (Fidesz) mit dem Thema. Ungarns Ministerpräsident Viktor Orban beispielsweise sagte nach dem Bandy-Mord, seine Regierung dulde Roma-Feindlichkeit nicht. Zugleich betonte er mit Blick auf die Roma: „Es geht nicht an, durch Kriminalität oder von Sozialhilfe zu leben.“