Angst vor dem Absturz
Für viele Europäer ist Slowenien vor allem ein Transitland. Auch in diesem Sommer zieht sich wieder eine große Autoschlange durch den kleinen Staat zwischen Alpen und Adria. Auf dem Weg an die kroatische Küste gönnen sich die meisten Touristen in Slowenien höchstens einen kurzen Stopp an einer der blitzsauberen Autobahn-Raststätten. „Toll, dass man hier mit Euros bezahlen kann“, sagt ein durchreisender Familienvater aus Bayern und steigt in sein Wohnmobil. Von den wirtschaftlichen Problemen Sloweniens bekommen die Transit-Touristen kaum etwas mit.
Vor fünf Jahren wurde Slowenien als erstes osteuropäisches EU-Mitglied Teil der Eurozone. Kein Wunder, das Zwei-Millionen-Einwohner-Land galt damals als europäischer Musterschüler, stabil und wirtschaftlich solide. Inzwischen aber ist aus dem Staat mit den guten Wachstumsraten ein Euro-Sorgenkind geworden. Vor allem die größten Banken des Landes drohen im Strudel der Euro-Schuldenkrise unterzugehen. Die Nova Ljubljanska Banka und die Nova Kreditna Banka Maribor sitzen auf faulen Baukrediten und benötigen dringend Finanzspritzen. Hauptanteilseigner beider Banken ist der slowenische Staat.
Fachleute bezweifeln, dass Slowenien die Probleme des Bankensektor in den Griff bekommt
Vor diesem Hintergrund verwundert es nicht, dass die großen Ratingagenturen die Bonität Sloweniens zuletzt immer schlechter bewerteten. Moody’s und Standard&Poor’s haben kürzlich Slowenien um drei beziehungsweise eine Stufe herabgesetzt. Aauch Fitch senkte erneut den Daumen und benotet Sloweniens Bonität nun mit A-, also mit der viertletzten Stufe über dem sogenannten Ramschniveau, Ausblick negativ. Auch sechs slowenische Banken hat Fitch inzwischen herabgestuft.
Eine Arbeitsgruppe der slowenischen Regierung soll bis Mitte August eine Lösung für die faulen Assets erarbeiten, aber auch zahlreiche einheimische Experten bezweifeln, dass Slowenien die Probleme des Bankensektors selbst in den Griff bekommen kann. Vor allem eine Analyse des Volkswirtschaftsprofessors und ehemaligen Wachstumsministers Joze Damijan sorgt derzeit für Aufsehen. Eine nationale Bankenrettungsaktion, so die düstere Prophezeiung, würde die Zinsen auf slowenische Staatsanleihen auf mehr als 12 Prozent in die Höhe treiben. „Das sind Zinsen, die kein Staat mittelfristig und erst recht nicht langfristig finanzieren kann.“ Slowenien müsse entweder vollständig unter den EU-Rettungsschirm schlüpfen oder zumindest um europäische Bankenhilfe bitten, so Damijan.
Angst vor dem Absturz
Es sind Worte wie diese, die in der slowenischen Bevölkerung für wachsende Verunsicherung sorgen. Wie ihr Land in so kurzer Zeit vom viel gelobten Vorzeigeland zum Krisenstaat werden konnte, können viele Slowenen kaum nachvollziehen. Die exportorientierte Wirtschaft des Landes ist in die Rezession gerutscht. Die Staatsschulden sind mit nicht einmal 50 Prozent des slowenischen Bruttoinlandsproduktes zwar immer noch deutlich niedriger als in anderen europäischen Problemländern, haben sich in den letzten drei Jahren aber auf alarmierende Weise mehr als verdoppelt.
Gerade bei jungen Slowenen geht jetzt die Angst vor dem großen Absturz um. Beziehungsweise die Angst davor, „das neue Griechenland zu werden“, wie es ein Student in Ljubljana mit einem schiefen Lächeln ausdrückt. Ihre eigenen Politiker halten viele Slowenen übrigens schon lange für unfähig. Die Tatsache, dass die beiden größten Regierungsparteien ihre Koalitionsstreitigkeiten vor allem über den Online-Dienst Twitter austragen und Finanzminister Sustersic zuletzt lieber Urlaub machte als an einer wichtigen Parlamentssitzung teilzunehmen, feuert die Politikverdrossenheit im Land zusätzlich an.
Der Stillstand regiert
Der rechtskonservative Premierminister Janez Jansa versucht sich derweil weiter in Optimismus. Rettungsgelder der EU werde man nicht in Anspruch nehmen müssen, versichert er immer wieder. Dabei verweist er auf die relativ niedrige Verschuldungsrate des Landes sowie bereits erfolgte Maßnahmen für die Konsolidierung der Staatsfinanzen. Richtig große Reformen, etwa des Rentensystems, sind allerdings in Slowenien auf Grund der sehr direkten Demokratie schwer durchsetzbar. Jedes Gesetz kann per Referendum zurückgewiesen werden, ohne Quorum. Im Transitland Slowenien regiert in Zeiten der Krise vor allem der Stillstand.