Polen

Azubis aus dem Nachbarland

Karolina Krawczyk absolviert seit einigen Monaten eine Friseurlehre in Cottbus. In der Berufsschule bekommt die Polin die Fragen schriftlich gestellt und hat mehr Zeit für Tests. Ihre Chefin Wislawa Heydel-Waberska, die vor 20 Jahren selbst aus Polen einwanderte, hat Deutschunterricht organisiert. Abgesehen von den Sprachproblemen sei Karolina anderen Azubis oft voraus, lobt die Chefin. „Man erklärt ihr einen Handgriff, und der sitzt.“

Seit Jahren fehlen gerade in Ostdeutschland geeignete Bewerber für Lehrstellen. Betriebe aus Cottbus stellen nun Lehrlinge aus der polnischen Nachbarregion Zielona Gora ein. Die Idee, Azubis auf der anderen Seite der Grenze zu suchen, kam von der örtlichen Handwerkskammer, als vor einem Jahr die Schranken für Arbeitnehmer aus den östlichen EU-Staaten fielen.

Das Projekt, das mit einem viermonatigen Sprachkurs begann, ist bundesweit nahezu einmalig. Nur im Handwerkskammerbezirk Chemnitz gibt es ein ähnliches mit tschechischen Jugendlichen. Jüngst kündigte Bundesarbeitsministerin von der Leyen an, spanische Jugendliche als Azubis ins Emsland zu holen.

Die Projekte gehen jetzt in Cottbus und Chemnitz in die zweite Runde. Doch die Bilanz fällt durchwachsen aus. Von anfangs 22 Jugendlichen, die nach Cottbus kamen, sind die meisten wieder zurück nach Polen gegangen. Nur sieben Azubis sind geblieben. Ähnlich sieht es im Kammerbezirk Chemnitz aus: Dort lernen von neun Startern heute noch drei Azubis.

„Es prallten Welten aufeinander“, fasst Andrea Gollaneck von der Handwerkskammer Cottbus die Gründe zusammen. Die Vorstellung der meisten Jugendlichen von der Lehre in Deutschland hätte nicht mit der Realität übereingestimmt, die Sprachbarriere sei höher als angenommen. Viele Jugendliche plagte schlicht das Heimweh, andere orientierten sich beruflich um. „Dennoch sind wir zufrieden, dass wir diesen Schritt gewagt haben“, sagt Gollaneck. Die Jugendlichen, die geblieben sind, werden von ihren Chefs hoch gelobt, sind in den Berufsschulen anerkannt und werden unterstützt.

Glück hatte auch Maurermeister Rüdiger Galle mit seinem Lehrling Pawel Holak. „Zwar hatten wir am Anfang Probleme mit Pünktlichkeit und Arbeitseinteilung“, blickt Galle zurück. Das Problem konnte er jedoch mit einem polnischsprachigen Betreuer der Handwerkskammer klären. Seitdem läuft es gut. „Die Lehre hier ist die Chance meines Lebens“, sagt Pawel. „In Polen gibt es weniger Arbeit und weniger Lohn.“ In Deutschland verdient er als Azubi so viel wie in Polen als Fachkraft. Außerdem ist die Berufsausbildung in Polen rein schulisch, nach dem Abschluss fehlt die praktische Erfahrung.

Für die Betriebe im grenznahen Raum sind die Jugendlichen mehr als Lückenfüller: Ein qualifizierter polnischer Mitarbeiter könnte die Türen nach Polen öffnen, Mittler und Vertrauensperson für beide Seiten sein, hofft Galle. „Wir haben schon öfter Betriebe in Polen besucht und darüber gesprochen, welche Zusammenarbeit möglich wäre.“ Ein Mittler zwischen Polen und Deutschland ist Pawel längst geworden – zumindest privat. Seine deutschen Mitschüler hat er schon oft zu einem traditionellen polnischen Essen eingeladen.


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