Rumänien

Rumänen stimmen über Präsidenten ab

Die alte Frau blickt verzweifelt. Darunter der Satz: „Ich will seine Absetzung, weil er mir die Rente gestohlen hat!“ Riesige Plakate mit solchen Aufschriften hängen derzeit überall in Rumänien. Mit ihnen ruft die regierende „Sozialliberale Union“ unter Ministerpräsident Victor Ponta dazu auf, am kommenden Sonntag für die Absetzung des Staatspräsidenten Traian Basescu zu stimmen.

Bei vielen kommt die Botschaft offenbar an. Der am 6. Juli vom Parlament suspendierte Staatpräsident ist bei der Mehrheit der Bevölkerung unbeliebt. Ein drastisches Sparprogramm hat viele Menschen in den vergangenen beiden Jahren in große materielle Bedrängnis gebracht, das Gesundheitswesen leidet unter der Abwanderung von Ärzten, im Bildungswesen herrscht Verwaltungschaos. Für all das machen viele Rumänen Traian Basescu und seine bis Ende April regierenden Liberaldemokraten verantwortlich.

Laut Umfragen könnten etwa zwei Drittel der Wähler für die Absetzung Basescus stimmen. Allerdings muss eine Wahlbeteiligung von mindestens 50 Prozent erreicht werden, damit der Volksentscheid gültig ist. Basescus Liberaldemokraten rufen deshalb zum Boykott des Urnengangs auf. Sie sehen das Referendum als Legitimierung eines Staatsstreiches.

Die schwierige soziale Situation ist nur ein Vorwand

Tatsächlich ist die schwierige soziale Situation vieler Menschen in Rumänien nur der Vorwand für das Referendum. In Wirklichkeit ist die Volksabstimmung Höhepunkt eines erbitterten Machtkampfes, den die aktuelle sozialliberale Regierungsmehrheit gegen den Staatspräsidenten führt.

Im Grund gehe es dabei um eine „Schlacht zwischen den Baronen zweier Lager“, die sich ihre Pfründe sicherten, kommentiert der Publizist und Historiker Ovidiu Pecican, der an der Universität Cluj lehrt, den Machtkampf. Allerdings dürfe man dabei Nuancen nicht übersehen, so Pecican: Um die Macht an sich zu reißen, verletze die gegenwärtige Regierungsmehrheit demokratische Spielregeln besonders rücksichtslos und agiere besonders eilig.

In dem regierenden Drei-Parteien-Bündnis „Sozialliberale Union“ (USL) sind Rumäniens mächtigste und korrupteste Seilschaften vereint, unter anderem die Sozialdemokratische Partei (PSD), nach 1989 das Sammelbecken für die einstige Securitate- und Parteielite unter Ceausescu. Zustande kam die Mehrheit Ende April, als eine Reihe Parlamentarier einfach zur USL überlief und in der Folge die bis dahin regierenden Liberaldemokraten gestürzt werden konnten.

Knapp drei Wochen im Amt, begann die Regierung unter Ministerpräsident Victor Ponta Ende Juni mit den Vorbereitungen zur Amtsenthebung des Staatspräsidenten. Um sie zu garantieren, wurden per Dekret die Kompetenzen des Verfassungsgerichtes beschnitten, das Referendumsgesetz geändert, sodann die Vorsitzenden der beiden Parlamentskammern und der Ombudsmann ausgetauscht. Am 6. Juli stimmte eine Parlamentsmehrheit schließlich für die Suspendierung des Staatspräsidenten.

In Rumänien selbst sprechen viele Meinungsführer und Intellektuelle von einem „Putsch“

Mit dem verheerenden innen- wie außenpolitischen Echo auf ihr Vorgehen dürften die Ponta-Regierung und der Interims-Staatschef Crin Antonescu kaum gerechnet haben. In Rumänien selbst sprechen viele Meinungsführer und Intellektuelle von einem „Putsch“ oder einem „staatsstreichähnlichen Vorgehen“. Auch die EU-Kommission reagierte ungewöhnlich scharf: Sie attestierte der Regierung Ponta eine Missachtung rechtsstaatlicher und demokratischer Spielregeln und drohte Rumänien mit schweren Sanktionen, bis hin zum Entzug des Stimmrechtes in EU-Gremien.

Nach Ansicht vieler Beobachter geht es im Hintergrund des Machtkampfes zwischen Regierungsmehrheit und Präsident um den Einfluss auf die Justiz. „Sie ist inzwischen unabhängiger geworden, doch die korrupten Politiker wollen sich vor Verurteilungen schützen“, sagt die Bukarester Juristin Laura Stefan, die als Mitglied einer unabhängigen Expertengruppe im Auftrag der EU den Stand der Rechtsstaatlichkeit in Rumänien untersucht.

Laura Stefan verweist auf den Fall Adrian Nastase: Der Ex-Regierungs- und Ex-PSD-Chef, einst auch politischer Ziehvater von Victor Ponta, gilt in Rumänien als korrupter Politiker schlechthin. Nastase war am 20. Juni wegen illegaler Wahlkampf- und Parteienfinanzierung in letzer Instanz zu einer zweijährigen Gefängnisstrafe verurteilt worden. Es war das erste Mal überhaupt im postkommunistischen Rumänien, dass ein Politiker seines Ranges hinter Gitter musste.

In der USL von Victor Ponta gibt es eine Vielzahl korruptionsverdächtiger Politiker, das können selbst Vertreter des Parteienbündnisses nicht leugnen. Doch danach befragt, geben sie vage Antworten. „Die Mentalität der politischen Klasse muss sich insgesamt ändern“, sagt Corina Cretu, PSD-Vizepräsidentin und Abgeordnete im Europaparlament und zeigt dann mit dem Finger auf den Gegner.

Tatsächlich gibt es auch im Lager des Staatspräsidenten Basescu eine Reihe von Korruptionsfällen und korruptionsverdächtigen Politikern. Basescus Umgang mit dem Thema ist zwiespältig. Einerseits unterstützte er die Justizreform und den Kampf gegen die Korruption. Anderseits hat er gegenüber den korruptionsverdächtigen Baronen in seiner eigenen Partei nie jemals ein Machtwort gesprochen.

Auch Basescu ist korrupt

Die ehemalige Justizministerin und derzeitige EU-Parlamentsabgeordnete Monica Macovei, eine Ikone des Kampfes gegen Korruption, verteidigt den Staatspräsidenten dennoch: „Ja, es gibt auch in unserer Partei korrupte Politiker“, sagt sie, „aber die Liberaldemokraten akzeptieren ihre Verurteilung, und mit Basescu als Präsident bleibt die Justiz unabhängig.“

Monica Macovei initiierte als Justizministerin von 2004 bis 2007 eine grundlegende Justizreform und institutionalisierte erstmals den Kampf gegen Korruption. Ihr hat es Rumänien wesentlich zu verdanken, dass die Aufnahme des Landes in die EU nicht verschoben wurde. Im April 2007, drei Monate nach dem Beitritt, wurde sie aus der Regierung geworfen. Sie ist an politische Ränkespiele gewöhnt. Doch das Vorgehen der Ponta-Regierung in den letzten Wochen hat selbst sie überrascht. „Ich habe unterschätzt“, sagt sie, „wozu die politische Elite in Rumänien in der Lage ist.“


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