"Haltestelle Woodstock ist erwachsen geworden"
Herr Owsiak, wie schafft man es, einen Bundespräsidenten zu einem Rockfestival einzuladen?
Owsiak: Während des ersten offiziellen Besuchs von Herrn Gauck in Polen klingelte mein Telefon. Bronislaw Komorowski, der polnische Präsident, war dran. Er sagte: „Jerzy, ich habe eine Idee.“ Ich dachte zuerst, dass einer meinen Kollegen einen Streich spielt. „Was halten Sie davon, wenn ich den Herrn Präsidenten zum Festival Woodstock einlade?“, fragte Komorowski. Da habe ich geantwortet, dass es mir eine große Ehre sein würde, Herrn Gauck hier als Gast zu haben. Wir hoffen, dass keinem der Präsidenten kurzfristig etwas im Wege steht und sie den Besuch absagen müssen.
Gauck soll auch von der Bühne steigen und mit den Woodstock-Besuchern reden.
Owsiak: Es ist typisch für unser Festival, dass prominente Gäste greifbar sind. So war es auch beim Besuch von Lech Walesa oder dem Vorsitzenden des Europäischen Parlaments, Jerzy Buzek. Ich hoffe, dass sich auch Bundespräsident Gauck unter die Besucher mischen wird. Wir haben schon Dolmetscher dafür engagiert. Wir wurden schon gewarnt, dass Herr Gauck als ehemaliger Prediger ein außergewöhnlich guter und ausdauernder Redner sei ... (lacht). Ich denke auch, dass er als Ostdeutscher eine neue Perspektive in die deutsche Politik einbringt.
Für solche Gespräche gibt es die sogenannte „Akademie der bildschönen Künste“, ein Zelt, das etwas abseits von der Hauptbühne liegt und ein Ort für Treffen und Diskussion ist. Bisher waren hier nur prominente Polen zu Gast. Ist Gaucks Besuch ein Tribut an die wachsende Zahl von deutschen Festivalbesuchern?
Owsiak: Ja, wir wollen, dass „Haltestelle Woodstock“ ein deutsch-polnisches Treffen wird. Als wir 1995 angefangen haben, gab es in Europa noch Grenzen. Ich hätte damals nicht gedacht, dass uns einmal weltberühmte Bands besuchen würden. Nach und nach kamen aber immer mehr Deutsche. Ganz spontan wurde „Haltestelle Woodstock“ zu einem deutsch-polnischen Treffen, bei dem sich junge Leute spontan kennenlernen. Dieses Festival findet nun zum 18. Mal statt, es wird sozusagen volljährig.
Jerzy Owsiak
Jerzy Owsiak, 58, von Ausbildung Glasmacher und Psychotherapeut, von Beruf Journalist und Showman. Gründer der „Großen Weihnachtshilfe-Aktion“, während der Geld für kranke Kinder gesammelt wird. 2012 wurden dabei an nur einem Tag umgerechnet neun Millionen Euro gespendet. Als Dankeschön an die über 20.000 Teilnehmer organisiert Owsiak mit seiner Stiftung seit 1995 das Rockfestival „Haltestelle Woodstock“ in Kostrzyn an der deutsch-polnischen Grenze.
Was ist Ihre Vision für die nächsten Jahre?
Owsiak: Ich träume davon, dass wir an diesem Ort über Europa sprechen. Und dass auch Deutsche ins Zelt der „Akademie der bildschönen Künste“ kommen. Und dass die deutschen Woodstock-Besucher sagen: „Diese Menschen soll man erzählen lassen und ihnen zuhören, was sie zu sagen haben“.
Über 100.000 Deutsche sind im vergangenen Jahr zur „Haltestelle Woodstock“ gekommen, was hat sich dadurch verändert?
Owsiak: Vor allem die Organisation, aber auch, der Geist von „Haltestelle Woodstock“. Das Festival ist jetzt international. Wir versuchen, immer einige deutsche Bands dabei zu haben. Im letzten Jahr spielten bei uns H-Blockx , Donots Helloween oder Heaven Shall Burn. Auf diesjährigem steht In Extremo auf der Bühne. Auch unter den Freiwilligen, die uns unterstützen, gibt es immer mehr Deutsche aus der Gegend, aus Seelow, Küstrin und Frankfurt / Oder. Wir haben zudem auch praktische Sachen eingeführt: Es gibt jetzt einen richtigen Campingplatz, weil viele Deutsche mit ihren Familien kommen. Man kann jetzt auch mit Kreditkarte bezahlen.
Es sind nur noch ein paar Tage bis zum Festival. Ist alles schon vorbereitet?
Owsiak: Ja, wir treffen gerade noch die letzten Vorbereitungen. Ab dem 2. August werden 72 Bands auf drei Bühnen auftreten, von Hardrock, über Jazz, bis hin zu den Philharmonikern aus Posen. Zu hören gibt es in diesem Jahr Sabaton, Damian Marley, The Darkness und THePetebox aus Großbritannien, oder Antiflag. Es gibt europaweit kein ähnliches Festival. Hier kann jeder auftreten – wer an einem Gitarrenkurs teilnimmt, kann am Ende auch auf der Bühne auftreten. Und mit dem Präsidenten kann man auch reden, wo kann man so etwas überhaupt noch erleben?