Machtkampf ohne Gewinner
Die regierenden Sozialdemokraten um den neuen Ministerpräsidenten Victor Ponta debattieren am Freitagnachmittag über ein Amtsenthebungsverfahren gegen ihren Erzfeind, den rechtsliberalen Staatspräsidenten Traian Basescu. Gibt es grünes Licht dafür, muss sich Basescu innerhalb der nächsten 30 Tage einem Referendum unterziehen, bei dem das Volk entscheidet. Bereits 2007 hatten die Sozialdemokraten ein ähnliches Verfahren gegen ihn initiiert, waren aber am Volksentscheid gescheitert. Doch diesmal sähen Basescus Erfolgschancen deutlich geringer aus.
Für Basescu könnten sich die drastischen Sparmaßnahmen der vergangenen drei Jahre rächen. Die damalige liberaldemokratische Regierung hat 2010 sämtliche Löhne und Gehälter im öffentlichen Sektor um 25 Prozent gekürzt, wichtige Sozialleistungen wurden gestrichen, Krankenhäuser und Schulen geschlossen, zehntausende Angestellte und Beamte entlassen. Diese Maßnahmen konnte Basescu oft nur durch Umgehung einer parlamentarischen Debatte und mittels diverser Tricks durchsetzen. Gleichzeitig waren unzählige Parteiprominente in Korruptionsaffären verwickelt.
Die Popularität der rechtsliberalen Regierung sank so rasant, dass die eigenen Abgeordneten ihr die Unterstützung verweigerten und sie Ende April bei einem Misstrauensantrag der damaligen Opposition fallen ließen. Nach der Niederlage berief Basescu Anfang Mai Ponta zum neuen Ministerpräsidenten. Bei den Kommunalwahlen Anfang Juni stürzte das rechte Lager weiter ab, während sich die Sozialdemokraten über einen Erdrutschsieg freuen konnten.
Angesichts der bevorstehenden Parlamentswahlen, die im Herbst stattfinden, spitzt sich in den letzten Wochen der erbarmungslose Krieg zwischen den Lagern immer weiter zu. Die Sozialdemokraten wollen Basescu möglichst schnell loswerden, vor allem um zu verhindern, dass er nach den Wahlen erneut eine ad-hoc-Koalition um seine eigene Partei an die Macht beruft. Die Befürchtung ist berechtigt: Bereits 2005 und 2009 hatte Basescu die fragile Parlamentsmehrheit ignoriert, einen Premier aus dem eigenen Lager ernannt und durch individuelle und wenig transparente Deals mit einzelnen Abgeordneten eine Regierungsmehrheit nach eigenem Belieben geschmiedet.
„Natürlich haben die Linken keine Lust, die Wahl zwar zu gewinnen, aber weiter in der Opposition zu bleiben“, so Politologe Daniel Barbu von der Bukarester Universität. „Andererseits haben auch sie in den letzten Tagen gezeigt, dass sie in diesem Kampf vor nichts halt machen werden.“ So wurden erst vor wenigen Tagen die im Referendum-Gesetz vorgesehenen Prozeduren vereinfacht, die Kompetenzen des Verfassungsgerichts per Eilbeschluss der Regierung eingeschränkt, die Präsidenten der beiden Parlamentskammern in einer Nacht-und-Nebel-Aktion ersetzt.
Doch durch diese fragwürdigen institutionellen Änderungen hat sich das linke Lager unter Umständen nun selbst eine Grube gegraben. Die EU beobachtet die Entwicklungen mit Sorge: Der Präsident der EU-Kommission Jose Manuel Barroso hat kurz vor der Parlamentssitzung mit Ministerpräsident Ponta gesprochen. Ponta wird kommenden Donnerstag nach Brüssel reisen.
Auch im Land selbst wächst der Unmut: Mehrere Vertreter von NGOs und Gewerkschaften sowie Künstler und Intellektuelle äußerten starke Kritik. In der Bukarester Innenstadt sammelten sich am Donnerstag und Freitag mehrere tausend Demonstranten, die für ihr jeweiliges politisches Lager Unterstützung zeigten. Vereinzelt kam es zu Auseinandersetzungen.
Und so führen die beiden großen rumänischen Politiklager einen Machtkampf ohne Gewinner. „Die groß angelegte Aktion könnte nach hinten losgehen“, meint Politologe Barbu. „Die starke Personalisierung des Konflikts und der Eindruck, dass Ponta unbedingt Basescu loswerden will, könnte mehr schaden als nutzen.“