Ungarn

Pinker Anpfiff gegen rechts

Am Eingang des Sportparks unweit vom monumentalen Heldenplatz in Budapest hat sich eine lange Schlange gebildet. Die ersten Veranstaltungen haben bereits angefangen, die Anmeldung der Sportler läuft auf Hochtouren: Das größte schwul-lesbische Sportevent Europas wird heute (Donnerstag) in Budapest feierlich eröffnet, zum ersten Mal findet es in Osteuropa statt. Mit 18 Sportarten und über 3.000 Teilnehmern aus den meisten europäischen Ländern ziehen die diesjährigen Eurogames auch viele Touristen an. Es ist warm und sonnig in der ungarischen Hauptstadt, und in den Cafés sieht man bereits seit Tagen viele gleichgeschlechtliche Paare.

Kein Streit, sondern ein „Kulturkrieg“

Doch hinter den Kulissen geht es alles andere als idyllisch zu. Die diesjährigen Eurogames haben im Vorfeld bereits für Konflikte gesorgt. Für Budapests rechtskonservative Stadtverwaltung unter Oberbürgermeister István Tarlós sind die Spiele eine „Zumutung“. Sein liberaler Vorgänger Gábor Demszky hatte die Spiele noch in seiner Amtszeit nach Budapest geholt. „Wir unterstützen diese Veranstaltung nicht“, hieß es kürzlich lakonisch in einem Schreiben von Tarlós an den Regierenden Bürgermeister von Berlin, Klaus Wowereit. Vor kurzem schlug darüber hinaus die rechtsradikale Partei Jobbik ein Gesetz vor, das, ähnlich wie in Russland oder in Litauen, „schwule Propaganda“ verbieten soll.

„Das ist kein kleiner Streit, sondern Teil des seit Jahren tobenden Kulturkriegs zwischen dem progressiven und dem konservativen Lager. Im Moment hat die Rechte den Kampf gewonnen“, sagt Tamás Dombos von Háttér, dem wichtigsten lesbisch-schwulen Verein im Land. Der Mann hat in der Tat genug Gründe zur Besorgnis: Das neue ungarische Grundgesetz definiert die Ehe als heterosexuell und legt dem Staatswesen nationalkonservative Werte zugrunde. Abgeordnete schwärmen von ur-ungarischen Traditionen, Ministerpräsident Viktor Orbán schimpft über den „ausländischen Dreck“, der nach Ungarn importiert wird. Der neue „nationale Lehrplan“ verliert kein Wort über Schwule und Lesben, versucht aber, bereits bei kleinen Kindern die traditionellen Geschlechterrollen zu stärken.

Die Gäste lassen sich nicht abschrecken

Die Polizei versuchte darüberhinaus, den am 7. Juli im Anschluss an die Spiele stattfindenden Christopher-Street-Day zu verhindern. Die geplante Route – dem zentralen Prachtboulevard Andrássy út entlang, vom Heldenplatz bis zum Parlamentsgebäude – könne nicht abgesperrt werden. Das sei eine Zumutung für die Autofahrer, so die offizielle Begründung. Genau wie letztes Jahr mussten die Veranstalter die polizeiliche Ablehnung ihres Antrags von einem Gericht prüfen lassen, das die Begründung für unhaltbar hielt. Die Parade kann also wie gewohnt zum 16. Mail stattfinden.

Die zahlreichen schwulen und lesbischen Gäste in Budapest lassen sich von den politischen Hürden nicht die Laune verderben. „Fast jeder Sportliebhaber findet bei den Eurogames das Passende, egal, ob er teilnimmt oder nur zuschaut wie wir“, schwärmt Alex, der mit seinem Freund aus Riga angereist ist. Tatsächlich reicht das Angebot des Sportereignisses von Fußball und Kampfsport über Tennis bis hin zu Synchronschwimmen und zum großen Tanzwettbewerb. Konferenzen und Workshops, diverse Kulturveranstaltungen, Partys in vielen Clubs oder auf der Donau bieten einen Grund zumindest für einen Wochenendausflug.

Am nächsten Tisch wird bei Weinschorle auf Spanisch geplaudert: Miguel und Raúl kommen aus Barcelona und machen einen längeren Urlaub in Ungarn, weil sie nach den Eurogames auch zum Christopher-Street-Day bleiben. „Wir wollen von diesen zehn Tagen so richtig profitieren und gleichzeitig Budapests interessanteste Ecken entdecken“, sagt Miguel. „Es ist günstiger als anderswo in Europa, außerdem freuen wir uns auf die eine Fete, die sie in einem der berühmten Thermalbäder der Stadt organisieren“, erklärt der junge Mann.

Die Community ist sichtbarer und reifer

Auch die Veranstalter gehen davon aus, dass sowohl die Eurogames als auch die Pride Parade weitgehend ungestört stattfinden werden. „Zwar hat die Stadtverwaltung versucht, uns durch kleine bürokratische Schikanen das Leben schwer zu machen. Letztlich wissen sie aber auch, dass sie uns nicht aufhalten können. Es geht ihnen vielmehr darum, gegenüber ihren eigenen Wählern den konservativen Schein zu wahren“, sagt Dorottya Karsay von der Regenbogen-Mission-Stiftung, jenem Schirmbündnis, das jedes Jahr die Budapester Pride-Woche organisiert. Auch der Gesetzesvorschlag von Jobbik hat Karsays Meinung nach wenig Chancen: „Höchstens könnte mancher rechtskonservativer Abgeordneter der Regierungspartei Fidesz auf die Idee kommen, eine angeblich moderatere Form des Projektes aufzugreifen. Doch selbst dann würde eine solche Initiative früher oder später an der EU scheitern.“

Auch Gábor László, einer der Veranstalter der Eurogames, gibt sich optimistisch: „Die ungarischen Queers haben genug Gründe, ungestört zu feiern. In den letzten Jahren ist unsere Community sichtbarer und gleichzeitig reifer geworden.“ Und gerade angesichts der aktuellen politischen Situation im Land halten es die Organisatoren für sehr wichtig, dass viele Besucher aus dem Ausland hinreisen. „Kommt zahlreich nach Budapest“, ruft László auf. „Wir wollen zeigen, dass Ungarn definitiv europäisch, offen und pink bleibt!“


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