Rumäniens Guttenberg
Am Montag haben das internationale Wissenschaftsmagazin Nature und die Frankfurter Allgemeine Zeitung dem neuen rumänischen Ministerpräsidenten Victor Ponta vorgeworfen, den Großteil seiner Doktorarbeit abgeschrieben zu haben. Mehr als die Hälfte der 2003 an der Bukarester Universität verteidigten und ein Jahr später als Buch erschienenen Arbeit über den Internationalen Strafgerichtshof in Den Haag sei eine Kompilation aus Texten von anderen rumänischen Rechstwissenschaftlern, die nicht richtig zitiert worden seien. Die Publikationen beziehen sich auf ihnen vorliegende Unterlagen, die von einer ungenannten Quelle zur Verfügung gestellt wurden.
Auf einer Pressekonferenz in Bukarest bestritt Ponta am Dienstagvormittag die Vorwürfe mit dem Hinweis, dass er im Literaturverzeichnis alle Autoren zitiert habe. Er erklärte sich jedoch bereit, ein eventuelles Urteil der Expertenkommission zu akzeptieren. Gleichzeitig unterstellte er in diesem Zusammenhang der Mitte-Rechts-Opposition rund um Staatspräsident Traian Basescu eine politisch motivierte Racheaktion. Die ungenannte Quelle sei niemand anders als Basescus Berater Daniel Funeriu, der ihn im Ausland fälschlicherweise denunziert habe. Tatsächlich war Basescu die Affäre anscheinend schon vorher bekannt: Vergangene Woche spottete er in der Öffentlichkeit über den Premier als „dottore“.
Zwischen Pontas Sozialdemokraten und Basescus Liberaldemokraten tobt seit Jahren ein erbarmungsloser Krieg, der sich angesichts der bevorstehenden Parlamentswahlen im Herbst immer weiter zuspitzt. Die alte liberaldemokratische Regierung hatte drastische Sparmaßnahmen durchgesetzt, gleichzeitig waren unzählige Parteiprominenten in Korruptionsaffären verwickelt. Die Popularität der Regierung sank so rasant, dass die eigenen Abgeordneten ihr die Unterstützung verweigerten und sie bei einem Misstrauensantrag der damaligen Opposition fallen ließen. „Basescu hat im Moment kaum noch Chancen, seien Partei zu retten. Solche fiese Streiche sind ihm durchaus zuzutrauen“, kommentiert der Politologe Daniel Barbu.
Doch wenn es sich bei Pontas Doktorarbeit in der Tat um ein Plagiat handelt, ist es nur das jüngste in einer langen Serie. Erst Anfang Mai scheiterten Pontas erste Versuche, den Posten des Bildungsministers in seiner neuen Regierung zu besetzen: Beide Nominierungen, Corina Dumitrescu, Rektorin an der Bukarester Privatuniversität „Dimitrie Cantemir“, und Ioan Mang, Professor an der Universität im nordwestlichen Oradea, erwiesen sich als Plagiatoren. Ende Mai brach schon die nächste Plagiatsaffäre aus, diesmal um Laura Corduta Kövesi, heute noch die oberste Staatsanwältin im Lande. Daraufhin entdeckten Blogger und Aktivisten der Gesellschaft zahlreiche ähnliche Fälle von Beamten und Professoren, die bei ihren Doktorarbeiten oder wissenschaftlichen Beiträgen abgeschrieben hatten. „Eine ernste Diskussion ist fällig“, kommentiert Marius Andruh, Leiter des rumänischen Ausschusses für die Anerkennung von Universitätsdiplomen. „Allzu oft funktionieren rumänische Hochschulen wie Diplomfabriken. Das ist ein strukturelles Problem, das nach in den vergangenen Jahren eine bisher unbekannte Dimension erreichte“, fügt er hinzu.