Die Kommunion als Modenschau
Das passende Kleid hat Hania schon. Ein elegantes Stück aus Seide, mit kleinen Brillanten auf der Spitzenpasse. Auf dem Kopf trägt sie dazu eine exklusive Alternative zum traditionellen Kranz: Ein Diadem mit Brillanten. Ein perfektes Set. Lederpumps, eine modische Pelerine aus Marabutfedern, weiße Handschuhe und eine kleine Handtasche vervollständigen das Bild. Hania dreht sich stolz vor dem Spiegel zu Hause im Warschauer Vorort Lomianki. „Schön, nicht wahr?“ fragt ihre Mutter. „Wie eine kleine Prinzessin. Oder eine Braut“. Hania ist gerade acht Jahre alt und hat am Sonntag ihre Erstkommunion.
Hunderttausende kleiner Prinzessinnen und Prinzen sieht man im Mai und Juni auf den Straßen Polens. Im ganzen Land findet an jedem Frühlingssonntag eine Erstkommunion statt. In den größeren Pfarreien zieht sich die Erstkommunionzeit über mehrere Wochen bis Fronleichnam hin. In manchen Gemeinden gehen auch noch Kinder Mitte Juni zur Kommunion – denn die Gruppen sind riesig. Auch nach dem großen Ereignis besuchen die Kinder eine Woche lang jeden Tag die Kirche zu einer Messe, natürlich in ihrer festlichen Kleidung.
Viele Eltern müssen mittlerweile einen Kredit aufnehmen, um ihren Kindern eine angemessene Kommunion bieten zu können. Ein polnisches Durchschnittsgehalt von 845 Euro pro Monat geht allein schon für die Kleidung drauf: Kleid, die Schuhe, Pelerinen, Handschuhe, Kränze und Taschen kosten zwischen 250 und 1.000 Euro. Ähnliche Summen geben die Eltern für die Anzüge ihrer Jungen aus.
„In meiner Kindheit war alles billiger“, gibt Hanias Mutter zu. Statt Brillantendiadem trug sie einen Maiglöckenkranz, dazu eine gestrickte Pelerine statt Feder und Pelz. Doch als der Pfarrer in ihrer Gemeinde vorschlug, die Kinder sollten alle in einfachen, kirchlichen Leinentuniken, sogenannten Alben, kommen, war auch Hanias Mutter dagegen. In einer Albe sagt sie, wäre Hania nicht so schön. „Seit der Erstkommunion ihrer älteren Cousine hat Hani von einem schönen Kleid geträumt. Sie schaut es sich vor dem Zubettgehen seit Wochen immer wieder an“, schwärmt die Mutter. Doch selbst in Gemeinden, die Einheitskleidung anordnen, setzen die Eltern modische Akzente. Ihre Kinder werden kurzerhand nach der Kirche umgezogen und verbringen die Feier in einem prachtvollen Kleid.
Die Eltern von Hania sind Beamte, sie verdienen überdurchschnittlich gut. Trotzdem waren die Ausgaben so hoch, dass auch sie Geld aufnehmen mussten. Das war einfach, denn zahlreiche polnische Banken locken mit speziellen Krediten nur für die Erstkommunion. „Ab März haben wir in unserer Filiale wöchentlich mehrere Dutzend Eltern, die nach diesem Angebot fragen“ sagt eine Bankangestellte aus Warschau. Zu diesem Zeitpunkt spätestens merken die Eltern, dass die Feiern ihre Möglichkeiten übertreffen.
Gerade die wachsende Mittelschicht im wirtschaftlich aufstrebenden Polen will den Kindern und Gästen etwas bieten. Viele Eltern fühlen sich unter Zugzwang, denn die Erwartungen sind hoch . Die Kleidung ist nicht das einzige, was zu Buche schlägt. Eine professionelle Videosession kostet rund 250 Euro. Zur Tradition gehört auch eine Party mit Mittagessen im Restaurant. Für 20 Gäste kostet das Mittagessen etwa 1.500 Euro.
Auch die Erwartungen an die Gäste steigen. „Ich habe meinem Patenkind ein Medaillon und eine Bibel geschenkt“ erzählt Marek aus Gdingen. „Seitdem spricht ihre Familie nicht mehr mit mir. Die Eltern sind beleidigt.“
Der Einzelhandel profitiert von der gestiegenen Nachfrage. „Laptops, MP4, Fotokameras“ zählt der Mitarbeiter des Warschauer Media Marktes auf. Die verkaufen sich in dieser Zeit am besten. In Sportläden steigt vor den Erstkommunionen der Umsatz auch. Noch vor ein paar Jahren kauften die Leute zu diesem Anlass am liebsten Fahrräder, erzählt ein Verkäufer. Jetzt ist ein Fahrrad passé. „Quads (ein Art Geländefahrzeug) oder Mini-Mofas“ nennt er die aktuellen Hits. Kostenpunkt: 1.000 Euro aufwärts.
Geistliche schlagen zunehmend Alarm, dass die Erstkommunion immer weniger mit religiöser Feierlichkeit zu tun habe. „Für die Kinder ist sie zu einer Modenschau verkommen“, sagt Pater Pawel aus Warschau. „Sie denken mehr an ihre Kleidung und die Geschenke, als an den eigentlichen Sinn des Ereignisses“. Weil seine Aufrufe zu Bescheidenheit in der Regel nicht viel bringen, bittet er die Eltern, wenigstens die Geschenke erst nach der Kommunion zu verteilen, damit die Kinder nicht während der Messe mit Kameras und I-Phones beschäftigt sind.
„Ich bin froh, wenn alles vorbei ist“, gibt auch Hanias Mutter zu. Der Blick auf ihre glückliche Tochter waren ihr das Geld und die Anstrengung aber wert.