Tschechien

70 Jahre nach dem Attentat auf Heydrich

Reinhard Heydrich, der „Kopf“ Hitlers für die „Endlösung der Judenfrage“, dritter Mann des Dritten Reichs und Statthalter im besetzten Böhmen und Mähren, fuhr am Morgen des 27. Mai 1942 wie immer im offenen Wagen von seinem Wohnsitz auf die Prager Burg. Heydrich lehnte übertriebene Sicherheitsmaßnahmen ab. Die Tschechen, so glaubte er, hätten nicht die Courage, ihn anzugreifen.

In der Tat gab es bis zu diesem Tag kaum so etwas wie Widerstand in Böhmen und Mähren. Die Rüstungsschmieden arbeiteten reibungslos, die Arbeiter dort wurden mit Zuckerbrot und Peitsche hörig gemacht. Unter diesem Image hatte die tschechoslowakische Exilregierung in London unter Edvard Benes zu leiden. Um Anerkennung bei den Westmächten zu finden, beschloss Benes den Plan eines Attentats auf Heydrich. Monate lang bereiteten sich tschechische und slowakische Fallschirmjäger in England darauf vor. Um den Jahreswechsel 1941/42 wurden sie über tschechischem Gebiet abgesetzt. Am 27. Mai schlugen sie zu: In einer Haarnadelkurve in Prag verübten sie das Attentat auf Heydrich. Der erlag Tage später seinen Verletzungen.

Noch viele Jahrzehnte später war die Aktion unter den Tschechen umstritten. Die Nation hatte einen großen Blutzoll zu leisten. Nazi-Deutschland rächte sich furchtbar. Die Attentäter wurden verraten, starben im Kampf oder nahmen sich in auswegloser Lage das Leben. Zehntausende Tschechen wurden standrechtlich hingerichtet. Die Ortschaften Lidice und Lezaky wurden in einer willkürlichen Racheaktion dem Erdboden gleich gemacht, die Einwohner ermordet oder in Konzentrationslager deportiert.

War es das wert, lautete immer die Frage, wenn es um die Beurteilung des Attentats ging. An der Kirche in der Prager Resslova-Gasse, in der sich die Attentäter verschanzten, gab es immer eine Gedenktafel. Aber ein richtiges Denkmal für die Widerstandskämpfer ist erst vor ein paar Jahren errichtet worden.

Der Schriftsteller Jiri Sulc, der 2007 einen Bestseller über das Attentat veröffentlicht hat, sagt, die Tschechen könnten stolz auf dieses Ereignis sein. In Tschechien habe man Heydrich lange nur als „stellvertretenden Reichsprotektor“ gesehen. „Heydrich war aber darüber hinaus einer der wichtigsten Männer Hitlers. Sein Verlust konnte nie ausgeglichen werden.“ Zudem müsse man auch die Zeit beachten, in der das Attentat verübt wurde: „Die Fallschirmjäger wurden abgesetzt, als die USA gerade erst in den Krieg eingetreten waren. Die Deutschen standen vor Moskau und die Briten mussten eine Niederlage nach der anderen hinnehmen. Und dann wird der dritte Mann des damals erfolgverwöhnten Dritten Reichs von zwei Männern liquidiert. Das war ein sehr schwerer Schlag.“ Zwar seien die Folgen zweifellos schlimm gewesen, „aber Tschechen und Slowaken haben seinerzeit ihre Ehre wiedergefunden“.


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