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Alles Koko oder was? Polens skurriler EM-Hit

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Während die UEFA mit ihrem offiziellen EM-Song „Endless Summer“ der in Hamburg geborenen Soul-Sängerin Oceana ein nichtssagend-glattgebügeltes Stück Dance-Pop präsentiert, haben sich die Polen bei der Wahl des Liedes ihrer Nationalmannschaft für maximales Lokalkolorit entschieden.

„Koko Koko EURO Spoko“ lautet die einprägsame und selbst für die nicht-polnische Zunge leicht mitzusingende Titelzeile des Liedes der Frauenfolkloregruppe „Jarzebina“ (Vogelbeere). Die acht Landfrauen im Alter zwischen 33 und 82 Jahren mischten in einem Anfang Mai eigens ausgetragenen Songcontest des Ersten Polnischen Fernsehens die zumeist jüngere und bekanntere Konkurrenz auf und gewannen das Zuschauer-Voting sensationell.

„Wir haben eigentlich keine Ahnung von Fußball“, bekennen diese selbsternannten „bojowe babki“ (kämpferischen Weiber) im Fernsehinterview. „Aber wir haben unsere Adlerchen (gemeint ist das polnische Nationalteam, Anm. d. Red.) einmal verlieren sehen. Das Publikum hat sie einfach zu wenig angefeuert. Da wollten wir etwas tun.“ Herausgekommen ist ein Lied mit einer sehr überschaubaren Botschaft, mitreißendem Rhythmus und hoher Intensität.

Aber warum dieser Rückgriff auf die Folklore? Bei einer vom größten polnischen Internetportal „onet.pl“ nachträglich durchgeführten Umfrage gaben mehr als 90% der Teilnehmer an, „aus Spaß“ für die schrägen „Vogelbeeren“ gestimmt zu haben. Man sollte also nicht zu viel Modernitätsverdrossenheit in so eine Wahl hineininterpretieren. Der Hinweis auf eine verbreitete Freude an der Subversion ist aber nicht zu übersehen.

Für die Kulturmanagerin und Genderaktivistin Katarzyna Szustow hält die Gesangsgruppe dem modernen Stadtmenschen einen Spiegel vor: „Da haben wir sie, die Stimme der echten polnischen Frauen, und nicht derer mit der am Computer entworfenen oder vom Chirurgenskalpell zurechtgeschnittenen Idealfigur. Sie treten nicht in Minirock, Leggings und Bikini auf, sondern in ihren ländlichen Trachten. Und aus den verhüllten Körpern klingen die glockenklarsten Stimmen“, schreibt Szustow auf ihrer Homepage.

Die Frauen schämen sich nicht ihrer Einfachheit: „Koko Koko“ ist ein Verweis auf das Heimatdorf Kocudza, außerdem auf Kokoszka, das Huhn, als Symbol für das Dorfleben. „Spoko“ ist ein Begriff aus dem Jugendjargon und heißt etwa soviel wie „cool“ oder „easy“. „Der Ball fliegt weit in die Höhe, singen wir gemeinsam, feuern wir unsere Jungs an, auf dass sie gewinnen werden“ heißt es weiter. Kritiker nennen das naiv oder auch „peinlich infantil“, für die Befürworter ist es authentisch und bodenständig, was die acht singenden Energiebündel mit ihren Mutter-Teresa-Trachten auf der Bühne veranstalten.

Das Lied lässt keinen kalt, es regt auf und an, ist in den Köpfen. Zur Einweihung einer neuen Sportanlage der Grundschule Nr. 6 in Lublin beispielsweise singen die Kinder eine zum Anlass neu gereimte Version „Koko Koko Szostka Spoko“ (Szostka=die Sechste). Im Radio nutzt ein Produzent von Nahrungsergänzungsmitteln die Melodie, um seine Reklamebotschaft zu verbreiten. Und ein politischer Analyst bescheinigt Ministerpräsident Tusk „eine Politik im Rhythmus von Koko Koko EURO Spoko“, womit ungefähr „atemlos und simpel“ gemeint sein dürfte.

Ein Lied geht um. Das polnische Team ist zwar noch nicht Europameister, aber die „Vogelbeeren“ aus Kocudza haben den Kampf um die Hoheit über den polnischen Fanmeilen bereits gewonnen, lange bevor der Ball rollt.


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