Streit um das „Todesspiel von Kiew“
Es ist ein Stoff, wie ihn ein Regisseur schlecht ablehnen kann. „Liebe, Krieg, Fußball – alles kommt darin vor“, erzählt Andrej Maljukow über seinen neuen Streifen „Match“, der Anfang Mai in Russland und der Ukraine in die Kinos kam. In Russland wird er als patriotischer Film gefeiert, in der Ukraine ist er hoch umstritten.
Die Geschichte ist schnell erzählt. Vor nunmehr 70 Jahren fühlen sich 1942 im besetzten Kiew die nationalsozialistischen Besatzer sicher genug, um die Austragung einer kleinen Fußballliga zu gestatten. Teams stellen neben deutschen und ungarischen Soldaten auch die Ukrainer, denen das Fußballspielen im Gegensatz zu Polen oder Juden erlaubt war.
Was die Nazis nicht ahnten: Hinter dem ukrainischen FC Start, der offiziell als Werksmannschaft einer Brotfabrik fungierte, verbarg sich beinahe die komplette Mannschaft von Dynamo Kiew, die vor dem Krieg zu den Spitzenmannschaften in der höchsten sowjetischen Spielklasse zählte. Ein erstes Spiel gegen die „Flakelf“ der Wehrmacht gewannen die Ukrainer denn auch mit 5:1, und auch das nur drei Tage später angesetzte Rückspiel konnten sie mit 5:3 für sich entscheiden.
Bis hierhin ist die Handlung historisch verbürgt. Nach dem Vorbild des in den 1960er Jahren in der Sowjetunion gedrehten Streifens „Die dritte Halbzeit“ will es aber nun auch Maljukows Film, dass die Deutschen den Ukrainern mit Erschießung drohten, sollten sie das Spiel gewinnen.
Tatsächlich kommen neun Teilnehmer der Partie, die als „Todesspiel“ in die Geschichte eingehen soll, kurze Zeit später in Konzentrationslager. Vier von ihnen werden später erschossen. Doch unter Historikern gilt inzwischen als Tatsache, dass der Tod der Spieler nicht unmittelbar mit ihrem Sieg gegen die Deutschen zusammenhängt. Schlicht falsch ist die Darstellung, nach der die Ukrainer noch vom Spielfeld weg verhaftet wurden. Maljukow akzeptiert im Abspann, dass die Spieler nicht für ihren Sieg bestraft wurden - im Widerspruch zur Botschaft des Films.
Umstritten ist die Neuverfilmung des Todesspiel-Stoffs aber vor allem aus einem anderen Grund. Schon vor der Uraufführung sickerte durch, dass nicht nur die Deutschen, sondern auch die Ukrainer in dem Film in einem äußerst ungünstigen Licht erscheinen sollten. Denn die Helden des Films, die Fußballer, denen ihre Ehre wichtiger ist als ihr Leben, sprechen bei Maljukow Russisch. Ukrainisch ist dagegen die Sprache der Nazi-Kollaborateure.
Schon im Vorfeld erteilte die ukrainische Filmaufsichtsbehörde nur widerwillig die Genehmigung für „Match“. Bei der Premiere in Kiew kam es dann zu Protesten der rechtsradikalen Partei Swoboda (Freiheit), 20 ihrer Anhänger wurden verhaftet. Auch in anderen ukrainischen Städten fanden Demonstrationen statt, bei denen der Film als „Propaganda von Moskauer Imperialisten“ bezeichnet wurde.
Wesentliche Neuerung des Films „Match“ gegenüber seinem sowjetischen Vorgänger ist die Integration einer Liebesgeschichte. Dass die Geschichtsinterpretation des Films eine recht freie ist, bestreitet indes auch Regisseur Maljukow nicht: „Hier gibt es wohl nicht nur eine Wahrheit. Das interessiert uns aber auch nicht, wir machen schließlich keinen Dokumentarfilm.“