Ratko Mladic: Held oder Monstrum?
Mit der Verhandlung gegen Ratko Mladic beginnt am Mittwoch der wohl letzte große Prozess gegen einen der mutmaßlich Hauptverantwortlichen für die Kriegsverbrechen des Bosnienkrieges 1992 bis 1995. General Mladic war der Kommandant der Armee der selbst ernannten Republika Srpska. Als solcher war er mitverantwortlich für die rund 8.000 Toten im ostbosnischen Srebrenica 1995 und die fast vierjährige Belagerung Sarajevos, so die Anklageschrift.
Nach dem Prozessauftakt am Mittwoch will die Anklage in den kommenden Wochen 413 Zeugen vorladen. Die Anklage lautet auf Völkermord, Verbrechen gegen die Menschlichkeit und Kriegsverbrechen. Mladics Ziel habe darin bestanden, „bosnische Muslime dauerhaft vom als serbisch erklärten Territorium von Bosnien-Herzegowina zu vertreiben“.
Im Gegensatz zu den anderen prominenteren Angeklagten war Mladic kein Politiker, sondern Soldat. Das erklärt, warum er bis heute in Serbien und unter vielen bosnischen Serben in Bosnien-Herzegowina immer noch hohe Popularität genießt. „Ratko Held“ ist in vielen Orten als Graffito an den Hauswänden zu lesen. „Er ist ein Nationalheld, kein Kriegsverbrecher“, lautet ein oft zu hörender Kommentar.
„Ratko Mladic war der Kommandant der Armee der Republika Srpska und hatte als solcher seine Verantwortung und seine Pflichten“, sagte kürzlich der Präsident der serbischen Teilrepublik Milorad Dodik. „Sollte er Gesetze und Regeln des Krieges gebrochen haben, dann muss er sich dafür verantworten. Das Gericht wird das entscheiden.“ Um allerdings zu ergänzen, dass er aus Sicht vieler Menschen in der Republika Srpska eine „bedeutende historische und militärische Persönlichkeit“ bleiben werde. Nach seiner Festnahme vor einem Jahr im Mai 2011 hatten sich im Regierungssitz der Republika Srpska in Banja Luka Tausende Menschen zur Solidaritätskundgebung versammelt. Eine „Schande“ sei seine Verhaftung gewesen, sagten dort Passanten in die Kamera.
Ganz anders denken die hauptsächlich muslimisch-bosniakischen Einwohner Sarajevos über ihn, die die jahrelange Belagerung der Stadt mitgemacht haben. „Er ist ein pathologischer Fall“, ist noch eine moderates Urteil. Ein Kommentar in einem Online-Forum lautet: „Meine Mutter hat diesen Krieg durchgemacht. Nichts kann beschrieben, was er getan hat. Er verdient es, in der Hölle zu schmoren.“ Ein „Monstrum“ ist er, sagt eine junge Frau aus Sarajevo, die den letzten Krieg noch miterlebt hat und erinnert an einen aufgefangenen Funkspruch, in dem Mladic seinen Soldaten befahl, Sarajevo so lange zu bombardieren, bis die Bewohner wahnsinnig würden.
Mladic ist heute ein offensichtlich kranker alter Mann, der nur noch ein Schatten seiner früheren Person ist. In den ersten Anhörungen der Vorverhandlungen in Den Haag war er kaum zu verstehen, beschwerte sich, dass er keine Kappe aufhaben dürfe und unterbrach den Richter mehrfach mit der Anrede „Kamerad“, woraufhin er des Saales verwiesen wurde. „Ich habe nur mein Volk verteidigt. Ich habe keine Muslime umgebracht“, so lauteten seine ersten Erklärungen. Die Anklage nannte er abscheulich und behauptete, einige Worte daraus noch nie gehört zu haben.