Die Nummernschild-Trickser von Rumänien
Lucian Baer erinnert sich noch daran, wie er vor bald zwanzig Jahren sein Auto bei der rumänischen Verkehrspolizei anmeldete. „Ich musste stundenlang Schlangestehen, und dann fehlten mehrmals irgendwelche Papiere. Ich musste von Behörde zu Behörde laufen und am nächsten Tag wiederkommen“, erzählt der 42-jährige Bukarester Dokumentarfilmer. „Es hat viel Zeit und Nerven gekostet.“ Seit dem hat sich an der Bürokratie nicht viel geändert – obwohl Rumänien seit 2007 zur Europäischen Union gehört. Zu den langen Wartezeiten sind jetzt aber auch noch höhere Preise gekommen: Steuern und Gebühren für die Pkw-Anmeldung wurden drastisch erhöht.
Vor drei Monaten kaufte Lucian Baer einen gebrauchten VW-Passat in Deutschland und brachte ihn nach Bukarest. Um Zeit, Nerven und Geld zu sparen, meldete er ihn diesmal aber nicht in seinem Heimatland, sondern in Bulgarien an, in der Grenzstadt Ruse, 60 Kilometer südlich der rumänischen Hauptstadt. Seitdem fährt er mit bulgarischem Nummernschild durch Bukarest. „In Ruse ging alles deutlich schneller und einfacher, es hat nur ein paar Stunden gedauert“, sagt Baer begeistert. „Außerdem habe ich viel weniger Gebühren und Steuern bezahlt.“ In Bulgarien kostet die Anmeldung fünf- bis zehnmal weniger als in Rumänien.
Weil Rumänien immer noch stark unter den Folgen der Wirtschaftskrise leidet, sucht der Staat händeringend nach neuen Einnahmequellen. Zur Aufstockung der Staatsfinanzen hat die Regierung im vergangenen Jahr die Anmeldegebühren und Steuern für Fahrzeuge stark erhöht. Gleichzeitig erhebt das Land hohe Einfuhrzölle auf Gebrauchtwagen, um nicht zur Müllhalde für westliche Schrottautos zu werden, und um gleichzeitig den Absatz der einheimischen Marke Dacia anzukurbeln. Die Folge: Vor allem im Süden des Landes, nahe der bulgarischen Grenze, fahren massenweise Autos mit bulgarischen Kennzeichen. Derzeit sind es vermutlich um die 100.000 Wagen – Tendenz steigend.
Florin Catana, Hauptkommissar in der Abteilung Verkehr bei der nationalen Polizeiverwaltung, beobachtet den Trend mit Sorge: „Wenn ein Fahrer eines in Bulgarien registrierten Wagens Fahrerflucht begeht, ist es schwer, ihn zu identifizieren. Außerdem wollen wir nicht, dass zu viele alte Autos auf unseren Straßen verkehren.“
Staat und Polizei stehen dem Phänomen weitgehend machtlos gegenüber. Denn viele rumänische Autobesitzer mit bulgarischen Kennzeichen benutzen einen Trick: Sie melden ihre Wagen auf die Namen rumänischer Firmen mit Sitz in Bulgarien an. Das Nachbarland freut sich über diesen Trend: Laut Presseberichten soll Bulgarien in den vergangenen drei Jahren so rund 160 Millionen Euro eingenommen haben.
In Rumänien bieten inzwischen etliche Firmen die billige Autoanmeldung in Bulgarien an. Eine von ihnen heißt HGM Service. Ihr Gründer und Chef Hani Darwish, 26, entdeckte das Geschäftsmodell vor zwei Jahren. „Ich habe einen alten Jeep, mit dem ich manchmal Off-Road-Touren mache“, erzählt der gelernte Grafiker. „Ich war die hohen Haltungskosten leid und habe ihn in Ruse angemeldet.“
Das Geschäft boomt, auf den Namen von HGM Service sind derzeit über 300 Fahrzeuge registriert. Pro Anmeldung in Ruse kassiert Darwish rund 100 Euro Kommission. Auch Lucian Baer hat seinen Wagen über die Firma von Hani Darwish angemeldet. Knapp 600 Euro hat es ihn gekostet – in Rumänien hätte er mehr als das Fünffache bezahlt.
Baer hat gehört, dass die rumänische Polizei Fahrer von Wagen mit bulgarischen Kennzeichen besonders scharf kontrolliere. Er selbst hat aber noch keine solche Kontrolle erlebt und fürchtet sich auch nicht davor. „Ich halte mich an die Verkehrsregeln, auch die Polizei muss das tun“, sagt er. „Dass mein Wagen bulgarische Nummernschilder hat, ist völlig legal.“