Starker Franken bringt Kreditnehmer in Bedrängnis
„Meine Schulden sind innerhalb von drei Jahren um zwei Drittel gestiegen“, beschwert sich eine Warschauer Wohnungskäuferin. 2008, als sie das Darlehen aufnahm, stand die Schweizer Währung noch sehr günstig zum Zloty. Jetzt – nur drei Jahre später – hat sich das ins Gegenteil gedreht. Der Franken ist für die Polen so teuer wie noch nie. Im Juli kletterte der Franken im Verhältnis zum polnischen Zloty auf den Rekordstand von 3,54 Zloty und ist damit fast so teuer wie der Euro. Grund dafür ist die Schuldenkrise im Euroraum. Viele Anleger flohen in die Schweizer Währung, um ihr Geld in Sicherheit zu bringen.
Historisches Rekordtief
Rund 240.000 polnische Staatsbürger zahlen wie die Warschauerin seit drei Jahren die Raten für ihre Wohnungs- und Hauskredite in Franken ab. Das ist etwa ein Drittel aller Darlehen für Immobilien, so die polnische Bankenvereinigung ZBP.
Noch dramatischer ist die Situation in Ungarn: Seit fast drei Jahren verliert die ungarische Währung an Wert. Allein in den letzten vier Monaten sank der Forint um 12 Prozent gegenüber dem Schweizer Franken. Ein historisches Rekordtief wurde vorige Woche erreicht, als die Ungarn 237 Forint für einen Franken zahlen mussten, ungefähr 70 Prozent mehr als 2008 vor der Wirtschaftskrise.
Über 800.000 Personen auf der „schwarzen Liste“
Die Auswirkungen für die Haus- und Wohnungsbesitzer sind schwerwiegend. Jeden Monat müssen sie mehr zahlen. Laut der Budapester Notenbank mussten bei rund 100.000 Hypotheken schon Zahlungsausfälle festgestellt werden. Über 800.000 Personen stehen mittlerweile auf der „schwarzen Liste“ der ungarischen Schuldnerdatenbank.
Zoltan V. ist einer von ihnen. Verzweifelt sucht der 42-jährige Dozent einen Ausweg. 2006 kaufte er eine kleine Einzimmerwohnung, wo er vorher jahrelang zu Miete gewohnt hatte: „Am Anfang habe ich immer pünktlich bezahlt, die Hypothek war günstiger als die Miete. Doch inzwischen beträgt die Rate nicht mehr ein Viertel, sondern fast die Hälfte meines Einkommens.“ Seit mehreren Monaten zahlt Zoltan die Hypothekenraten nur noch gelegentlich, die Rückstände werden immer größer.
Eine Lösung ist nicht in Sicht
Die Regierung des ungarischen rechtskonservativen Ministerpräsidenten Viktor Orban versuchte vor einem Jahr den Druck auf die Bevölkerung abzubauen und die ausländischen Banken dazu zu zwingen, den überschuldeten Kunden realistische Rückzahlungsvereinbarungen anzubieten. Seit Juni können die Hypothekennehmer ihre Raten in Schweizer Franken zu einem günstigeren festen Wechselkurs von 180 Forint zahlen.
Auch der stellvertretende polnische Premierminister Waldemar Pawlak versprach mit Blick auf die kommenden Wahlen im Herbst eine Gesetzesänderung. Mehrere Entwürfe liegen bereits im Sejm - dem polnischen Parlament – vor. „Die Kunden sollen zukünftig ihre Raten zum Durchschnittskurs der Nationalbank begleichen können“, erklärte Pawlak.
Das Grundproblem wird durch die politischen Initiativen jedoch nicht gelöst, da die Entwicklung des Franken von der Krise der europäischen Gemeinschaftswährung abhängt. NGOs in Ungarn kritisieren zudem, dass die veränderten Rückzahlungsbedingungen das Problem nur verschieben. Denn nach 2014 würde die Differenz inklusive Zinsen fällig.