Rumänien

Präsident Basescu rechtfertigt Überfall auf die Sowjetunion

Ein Interview des rumänischen Präsidenten Traian Basescu löste Ende voriger Woche einen politischen und diplomatischen Skandal aus. In einem Kommentar über die rumänische Beteiligung an dem Nazi-Angriff auf die Sowjetunion vor 70 Jahren behauptete der Staatschef, dass die Entscheidung aus nationaler Perspektive gerechtfertigt gewesen sei. Er selbst hätte anstelle des faschistischen Diktators Ion Antonescu den gleichen Befehl erteilt, so Basescu.

Unter dem Vorwand der Rückeroberung alter rumänischer Gebiete hatte Marschall Antonescu im Juni 1941 an der Seite Hitlers die Sowjetunion überfallen – und in den neu erworbenen Territorien einen Holocaust in eigener Regie organisiert. „Damals hatten wir einen Verbündeten und ein verlorenes Gebiet, das wir zurückgewinnen mussten“, erklärte Basescu mit Bezug auf Nazi-Deutschland und auf die historischen Provinzen Bessarabien und Bukowina, die 1940 von Stalin angeschlossen worden waren.

Das russische Außenministerium zeigte sich am vergangenen Donnerstag empört über die „unverschämte Prahlerei“ des rumänischen Staatschefs und verurteilte aufs Schärfste die Rechtfertigung der faschistischen Aggression. Am Freitag meldeten sich auch ukrainische Politiker zu Wort: Wolodymyr Ohrysko, ehemaliger Außenminister in Kiew, kritisierte Basescus Äußerungen und stellte fest, dass „manche der von ihm erwähnten Gebiete Teil der heutigen Ukraine sind“. Tatsächlich endete die Offensive der rumänischen Armee, trotz der ursprünglichen Beteuerungen von Marschall Antonescu, keinesfalls nach der Rückeroberung Bessarabiens und der Bukowina. Die Truppen rückten immer weiter vor, gemeinsam mit der Wehrmacht, bis nach Stalingrad.

In Rumänien, wo Basescus Führungsstil seit Jahren die Öffentlichkeit polarisiert, schockierten seine Kommentare diesmal auch einige seiner engsten Anhänger. So erklärte sich Radu Alexandru, Abgeordneter der präsidialen Mitterechtspartei PDL, er sei „bitter enttäuscht über die unverzeihliche Ignoranz“ des Staatschefs.

Doch Basescus jüngste Kommentare sind kein Einzelfall: „Breite Teile des rumänischen Publikums teilen seine Vorliebe für Provokationen gegen Russland und seine Version der nationalen Geschichte“, erklärt Historiker Lucian Boia. „Dabei verdrängt diese traditionelle Geschichtserzählung unbequeme Kapitel wie den Holocaust“, sagt Boia, der an der Universität von Bukarest Ideengeschichte unterrichtet.

Als Geschenk für ihre Loyalität hatte Hitler den rumänischen Behörden 1941 das Recht gewährt, einen Teil der historischen Ukraine zu verwalten und wirtschaftlich auszubeuten. Ion Antonescu ernannte einen rumänischen Gouverneur für dieses Gebiet jenseits des Dnjestrs, das so genannte Transnistrien, und nutzte es als sein Hinterland, um Juden, Roma und Oppositionelle in Arbeits- und Vernichtungslagern zu internieren. Weit entfernt von den Augen der Öffentlichkeit verfolgte die rumänische Regierung so ihren Plan, große Teile des Landes ethnisch zu säubern.

Erst 2003 wurde in Bukarest eine internationale Historikerkommission unter der Leitung von Elie Wiesel berufen, um den Genozid an den rumänischen Juden und Roma zu untersuchen. Kurz nach Veröffentlichung des Kommissionsberichtes erkannte das Land die Existenz eines Holocaust auf dem eigenen Gebiet offiziell an. „Unsere Anstrengungen gingen weit über bloße Lippenbekenntnisse oder Loyalitätsgesten gegenüber dem deutschen Verbündeten hinaus“, sagt Alexandru Florian, Direktor des 2005 gegründeten Holocaust-Instituts in Bukarest. „Diese Wahrheit muss jetzt in der Öffentlichkeit aufgearbeitet werden“, resümiert Florian.


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