Belarus

Maulkorb für Oppositionspolitiker Sannikow

Erst vor wenigen Tagen ist der belarussische Oppositionspolitiker Andrej Sannikow aus dem Gefängnis entlassen worden – und schon droht ihm das Regime, ihn wieder verhaften zu lassen. Sannikow und sein früherer Mitarbeiter Dmitri Bondarenko, der gleichzeitig mit ihm freigelassen wurde, hätten „nicht angemessen auf ihre Begnadigung reagiert“, hieß es in einem Bericht des staatlichen belarussischen Fernsehens, das am Dienstagabend ausgestrahlt wurde.

Sannikow hatte auf einer Pressekonferenz berichtet, dass Schergen des Regimes versucht hätten, ihn im Gefängnis in den Selbstmord zu treiben. Bondarenko hatte bei der gleichen Veranstaltung gesagt, Belarus sei mit einem „Netz von Gefängnissen und Konzentrationslagern“ überzogen. Er verglich die Situation mit den stalinistischen Säuberungen in der Sowjetunion der 1930-er Jahre. Im belarussischen Fernsehen hieß es daraufhin, die beiden Freigelassenen wüssten die Begnadigung durch den belarussischen Präsidenten Alexander Lukaschenko wohl nicht richtig zu schätzen. Sie könnten - „im Einklang mit den Buchstaben des Gesetzes“ - jederzeit wieder verhaftet werden. Aus dem Umfeld Sannikows hieß es daraufhin, dass der Oppositionspolitiker erst einmal keine Interviews mehr geben werde. „Wir nehmen die Drohungen sehr ernst“, sagte ein Vertrauter Sannikows.

Sannikow war am Samstag nach eineinhalbjähriger Haft von Alexander Lukaschenko begnadigt und freigelassen worden. Er war nach den belarussischen Präsidentschaftswahlen in Dezember 2010 verhaftet worden, bei denen er als oppositioneller Kandidat gegen Lukaschenko angetreten war. Sein damaliger Wahlkampfmanager Bondarenko wurde am Sonntag entlassen. Sannikow hatte bereits Anfang des Jahres ein Gnadengesuch unterzeichnet, dem am Wochenende stattgegeben wurde. Er gab an, das Dokument unter großem Druck unterschrieben zu haben.

Nach Angaben des deutschen Menschenrechtsbeauftragten Markus Löning sind in Belarus noch zehn politische Gefangene in Haft. Ende März hatte die Europäische Union die Sanktionen gegen Belarus verschärft. Mehr als 200 Amtsträger des Regimes dürfen inzwischen nicht mehr in die Europäische Union einreisen, auch ihre Auslandskonten wurden gesperrt. Von der Verschärfung der Sanktionen waren zum ersten Mal auch regimenahe Unternehmen betroffen.

Bei den umstrittenen Präsidentschaftswahlen Ende 2010 war der seit 1994 autoritär regierende Lukaschenko mit 80 Prozent bestätigt worden. Sannikow errang als erfolgreichster oppositioneller Kandidat knapp drei Prozent der Stimmen. Wahlbeobachter sprachen allerdings von massiven Wahlfälschungen. Nach Massenprotesten in der belarussischen Hauptstadt Minsk wurden mehrere oppositionelle Kandidaten verhaftet. Sannikow wurde zusammengeschlagen und auf dem Weg ins Krankenhaus aus dem Auto gezerrt. Auch seine Frau, die bekannte oppositionelle Journalistin Irina Chalip, saß mehrere Monate im Gefängnis des belarussischen Geheimdienstes KGB. Belarussische Behörden drohten damals, den damals dreijährigen Sohn der beiden in einem staatlichen Waisenhaus unterzubringen.

Im September sollen in Belarus Parlamentswahlen stattfinden. Sannikow hat am Montag allerdings zu ihrem Boykott aufgerufen. „Unter den gegenwärtigen Bedingungen ist es unmöglich, an den Wahlen teilzunehmen“, sagte er. International umstritten ist auch, ob die Hockey-Weltmeisterschaft im Jahr 2014 wie geplant in Minsk stattfinden soll.


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