Tschechien

Museum der Deutschen

Es kommt nicht alle Tage vor, dass ein Kultur- und ein Verteidigungsminister ein gewöhnliches Stadtmuseum einweihen. Doch das Museum, das am Donnerstag im tschechischen Usti nad Labem (Aussig an der Elbe) eröffnet wird, geht über die übliche Präsentation von Regionalgeschichte weit hinaus. Es beherbergt das Collegium Bohemicum, das renommierte Zentrum für deutsch-tschechische Studien, und zeigt für die nächsten Jahrzehnte die bisher erste Dauerausstellung zum 800-jährigen Wirken der deutschsprachigen Bevölkerung in den böhmisch-mährischen Ländern.

„Antikomplex“ sucht nach deutschen Spuren

Das Schicksal der nach 1945 aus der Tschechoslowakei vertriebenen, fast drei Millionen Deutschen spielte in der offiziellen tschechischen Geschichtsschreibung lange Zeit keine Rolle. Daran änderte auch die nach 1990 aufkommende rege wissenschaftliche Tätigkeit nichts. Geschichte im Nationalmuseum in Prag ist bis heute tschechische Geschichte. Und diese Interpretation setzt sich vielerorts bis in Dorfchroniken hin fort. Wer also sein Wissen nur aus diesen Quellen bezog, der konnte fast nichts darüber erfahren, dass in den noch heute „Sudetenland“ genannten Grenzgebieten jahrhundertelang mehrheitlich Deutsche wohnten.

Doch parallel dazu ist seit Mitte der 1990er Jahre ein Prozess in Gang gekommen, der die Aufarbeitung der Vertreibung der deutschen Bevölkerung nach 1945 in Angriff genommen hat. Ein Verein junger Tschechen mit dem Namen „Antikomplex“ begann in einer viel beachteten Ausstellung nach den Wurzeln des „verschwundenen Sudetenlandes“ zu forschen. Bis heute setzt Antikomplex seine Aufklärungsarbeit vor allem an Schulen fort. An Orten wie Brno, Postoloprty oder Chomutov wurden nach teils kontroverser Auseinandersetzung Tafeln aufgestellt, die den Opfern der dort nach 1945 an Deutschen verübten Massaker gedachten.

Usti nad Labem ist schon lange Vorreiter

Besonders aktiv war in diesem Prozess von Beginn an die böhmische Stadt Usti nad Labem. Und es ist kein Zufall, dass ausgerechnet hier das „Museum der Deutschen“, wie das Stadtmuseum wegen seiner Dauerausstellung kurz genannt wird, seinen Platz findet. Schon Anfang der 1990er Jahre veröffentlichte das Historikerehepaar Vladimir und Kristina Kaiser eine Chronik der von Deutschen geprägten Stadt, die auch brisante Themen wie die Vertreibung nicht aussparte. Die Kaisers waren auch dabei, als ein paar Jahre später in einem Gasthaus, wenige Meter vom heutigen Museum entfernt, die Idee für das Collegium Bohemicum geboren wurde. „Ich hatte von Anfang an die Vorstellung, das Thema der Deutschen in Böhmen raus aus der reinen Wissenschaft und an die Öffentlichkeit zu holen“, erinnert sich Kristina Kaiserova, die später auch langjähriges Mitglied des wissenschaftlichen Beirats der Stiftung „Flucht, Vertreibung, Versöhnung“ war.

Mit der Eröffnung des Museums in Usti ist Kaiserovas Idee Wirklichkeit geworden. Zumindest äußerlich. Die Dauerausstellung wird erst in den kommenden Monaten von einem Architektenbüro umgesetzt. Mit 1.500 Quadratmetern Ausstellungsfläche wird sie den größten Teil des Gebäudes einnehmen. „Selbstverständlich ziehen sich die Jahre 1938-1945 durch die gesamte Ausstellung. Unser Hauptanliegen ist aber, den Reichtum des Zusammenlebens von Deutschen und Tschechen darzustellen“, sagt die Direktorin des Collegium Bohemicum Blanka Mouralova. Geplant sind auch kurzfristige Ausstellungen und wie schon bisher Seminare, Workshops und Konferenzen.

Am Biertisch entstehen die besten Ideen

Mouralova sieht ihre Institution in der Nachfolge des Deutsch-Tschechischen Zukunftsfonds, der 1997 von beiden Ländern zur Überwindung der schmerzlichen Vergangenheit gegründet wurde. Der Fonds finanziert eine breite Palette von deutsch-tschechischen Projekten. „Wir wollen in Zukunft für eine kontinuierliche Finanzierung im deutsch-tschechischen Bereich sorgen“, schaut Mouralova nach vorn.

Einen ersten Vorgeschmack bekommen die Besucher übrigens schon zu sehen. In einem Raum wurde die originale Einrichtung eines typisch deutsch-böhmischen Gasthauses ausgestellt. Die besten Ideen kamen den Menschen damals wie heute noch am Biertisch.


Weitere Artikel