Zur EM 2012 droht ein Verkehrschaos
Der Schnellzug von Berlin nach Warschau hält am Posener Hauptbahnhof. Beim Aussteigen umgibt die Fahrgäste eine dicke Staubwolke. Fast rund um die Uhr, auch sonntags und spät abends, rumpeln Bagger über das Bahnhofsgelände. In wenigen Wochen soll hier ein neues Bahn- und Busterminal gebaut werden, in zehn Monaten ein neuer, mehrstöckiger Bahnhof entstehen. Die Zeit drängt, denn in einem Jahr beginnt die Fußball-EM in Polen, auch in Posen werden etliche Spiele ausgetragen. Wenn hier die deutsche Nationalmannschaft spielt, werden bis zu 200.000 Fans erwartet. Dafür ist der jetzige Bahnhof aber zu klein.
Auch der Flughafen entspricht nicht den Auflagen der UEFA. Der Bau eines neuen Terminals sowie einer Rollbahn wird seit Monaten angekündigt – bislang ist nichts geschehen. „Wir drücken die Daumen“, lautet der etwas hilflose Kommentar des Oberbürgermeisters Ryszard Grobelny: „Für die Investitionen besteht keine Gefahr.“
Bislang umgeben dicke Staubwolken die Fahrgäste, wenn sie in Posen ankommen / Marcin Rogozinski, n-ost
Die Eröffnung des Nationalstadions in Warschau kann sich sogar um Monate verzögern. Die Behörden stellten gravierende Mängel fest: Ein von der Firma Alpine-Bau erbautes Treppenhaus entspricht nicht den Sicherheitsstandards, dem Unternehmen drohen daher Strafen in Millionenhöhe. In Danzig wurde das Eröffnungsspiel zwischen Polen und Frankreich am 9. Juni abgesagt. Es bleibt ungewiss, wann die Arena in Betrieb kommt.
Die Infrastruktur der EM-Städte steht ebenfalls in der Kritik. Alle vier Wochen veröffentlicht die Gesellschaft Pl.2012, die die EM 2012 koordiniert, einen Bericht über den aktuellen Stand der Vorbereitungen. Darin gelten viele Projekte als „kritisch verspätet“. In Danzig verzögern sich beispielsweise der Bau eines modernen Flughafens und der Ausbau von Schnellstraßen. Ähnlich sieht es in der Hauptstadt Warschau aus.
Unverdrossen versichern die Behörden, dass die Projekte rechtzeitig fertig werden. Die Experten sehen das aber anders. „Der Bau und die komplexe Ausstattung eines Flughafenterminals in knapp einem Jahr ist nur unter Laborbedingungen möglich“, sagt Edgar Trzcielinski, Manager und Direktor bei der Bau-Medien Gruppe Budowlany.pl: „Das heutige Terminal in Posen ist zu klein, um die Fluggäste während der EM abzufertigen“. Er warnt davor, dass der Zeitdruck zu schlampiger Arbeit führt. So wurde das Stadion in Posen beispielsweise bereits vor einem Jahr eröffnet, musste wegen Baumängeln aber immer wieder nachgebessert werden.
In Posen werden zwar nur drei Gruppenspiele ausgetragen, die Organisatoren erwarten trotzdem mehrere tausend Fußballfans, darunter auch Deutsche. Ab November soll die nur 160 km von der deutschen Grenze entfernte Stadt über eine Autobahn erreichbar sein. Noch ist ungewiss, ob die Fans überhaupt mit dem Auto in Richtung Warschau vorankommen. Denn in den vergangenen Wochen gab es an der Baustelle erhebliche Verzögerungen.
Aus Deutschland werden tausende Fußballfans kommen. Ob das Bahn- und Busterminal bis dahin genutzt werden kann, steht noch nicht fest / Marcin Rogozinski, n-ost
Ein weiteres Problem sind die Forderungen der Investoren. Die chinesische Baufirma Covec, die die 49 Kilometer lange Teilstrecke der A2 zwischen Warschau und Lodz baut, bezahlt die Rechnungen der polnischen Subunternehmer nicht mehr. Das Infrastrukturministerium habe Covec angewiesen, die ausstehenden Beträge „sofort zu zahlen“, sagte ein Sprecher. Noch in dieser Woche soll die Arbeit fortgesetzt werden. Die Bauunternehmen zweifeln daran, dass die Investition im vereinbarten Termin abgeschlossen wird. „Es gibt keine Chance“ – behauptet Tomasz Kotowski, Chef der Firma Tom-Sprzet, die Baufahrzeuge an die Chinesen liefert „Jeder, der etwas von der Baukunst der Autobahnen versteht, wird das bestätigen.“
Während der EM droht auch auf der südlichen Ost-West Autobahn A4 ein Verkehrschaos. Nachdem ein polnisch-moldauisches Unternehmen zusätzliches Geld verlangt hatte, kündigte ihm die Autobahnbehörde (GDDKiA) den Vertrag. Auch wenn die Arbeit bald aufgenommen wird, garantiert die GDDKiA, dass die Strecke vor der ukrainischen Grenze lediglich „passierbar“ wird - ohne Tankstellen oder Notrufsäulen.