Polen

Die Macht der Hooligans

Ausgerechnet das Spiel, das den Vertretern der UEFA zeigen sollte, wie gut Polen auf die Fußball-Europameisterschaft vorbereitet ist, wurde zum Eklat. Als am 3. Mai die Hauptstadt-Mannschaft Legia Warszawa die polnische Meisterschaft gewann, verloren die Anhänger der gegnerischen Clubs Lech Poznan die Fassung. Stühle, Lautsprecher und Zaunteile flogen durchs Stadion. Die Polizei musste einschreiten.

Polens Premierminister Donald Tusk kennt die Außenwirkung solcher Bilder. Die Gewalt in polnischen Stadien ist verheerend für Polens Ruf als Gastgebernation bei der Fußball-Europameisterschaft 2012. Die medienwirksamsten Gewaltausbrüche in diesem Jahr spielten sich beispielsweise bei einem Freundschaftsspiel zwischen Polen und Litauen ab.


Hooligans gehören in Polen zu jedem Fußballspiel. Foto: Jan Zappner, n-ost

Auch ein Angriff auf den Verteidiger von Legia Warszawa im heimischen Stadion durch einen polizeibekannten Fan sorgte für Aufregung. Ende 2009 starb ein 17-Jähriger bei einer Messerstecherei in Krakau. Die Anhänger der beiden Krakauer Clubs liefern sich seit Jahren einen Krieg. Zwar wurde der Täter gerade zu zwei Jahren und zehn Monaten Haft verurteilt, bislang sieht es allerdings nicht so aus, als würde Polen das Hooligan-Problem in den Griff bekommen. Die Regierung setzt nun auf drastische Maßnahmen: Beide Mannschaften mussten das darauffolgende Spiel vor leeren Rängen bestreiten. Vor allem bei den Fanorganisationen hagelt es Protest.

Adam Olkowicz verfolgt das Vorgehen der Regierung mit Genugtuung. Er leitet beim polnischen Fußballverband PZPN die Organisation der EURO2012 und fordert schon seit langem härtere Strafen für Hooligans. Zwar dürfen Clubs auch jetzt schon Stadionverbote verhängen, diese können aber durch einen einfachen Gerichtsbeschluss wieder aufgehoben werden. Das wird sich nun ändern. Sogar lebenslange Stadionverbote sind im Gespräch.

Dass es während der EM zu Ausschreitungen in den Stadien kommt, hält Olkowicz für unwahrscheinlich: „Die Tickets werden ausgelost, das heißt, es kann sich keine Gruppe bilden, die eine Gefährdung darstellt. Ich bin zuversichtlich, dass die Fans auch nicht so feindlich eingestellt sind. Gegen wen denn? Dieser Chauvinismus spielt sich auf der Club-Ebene ab.“

Andere sind pessimistischer. Gerade Fans mit anderer Hautfarbe könnten auch bei der EM zum Opfer von Gewalt werden, befürchtet hingegen Jacek Purski vom Projekt „Wir kicken den Rassismus aus den Stadien“. Das Projekt arbeitet mit der UEFA zusammen, um rassistische Symbole und Gesänge aus den Arenen zu verbannen. Diese seien bisher quasi Teil des polnischen Fußballs gewesen, würden seit Jahren toleriert, meint Purski. „Die Mehrheit der Hooligans sympathisiert mit Neonazi-Organisationen oder ultrarechten Parteien.“


Krakauer stellten im Januar Kerzen für einen ermordeten Fan auf. Foto: Jan Zappner, n-ost

Einen großen Anteil daran haben die Clubs und Fanorganisationen selbst. Das Beispiel Legia Warszawa zeigt: Den Vereinen fehlt es an Durchsetzungskraft. Bei diesem Thema wird Jaroslaw Ostrowski, ein Mann wie ein Schrank und für die Stadionsicherheit bei Legia verantwortlich, ganz klein. „Aus wirtschaftlicher Sicht sind viele Clubs überzeugt, dass es besser ist, Kompromisse einzugehen. Das ist die einzige Möglichkeit, das Stadion zu füllen. Die Clubs denken, dass sie sich Ruhe kaufen können, indem sie Fans bestimmte Privilegien zugestehen.“ Ostrowski spricht zwar in der dritten Person, weiß aber genau, dass es bei Legia nicht anders läuft.
 
So sei es gang und gäbe, den Hooligans die Stadionsicherheit anzuvertrauen, denn vor ihnen haben alle Respekt. Auch werden sie zum Beispiel an den Einnahmen beteiligt, die Fanclubs mit dem Verkauf von Fanartikeln generieren. „Manchmal“, so erzählt Purski, „sammeln die Fanclubs sogar Geld für Anwälte, um die Hooligans bei ihren Gerichtsverfahren zu unterstützen.“ Es traut sich kaum jemand in Polen, die Seilschaften zwischen Fanclubs und Hooligans aufzubrechen. Die Fußballclubs haben resigniert. Sie riskieren den wirtschaftlichen Ruin, wenn sie den Hooligans die Zusammenarbeit aufkündigen.

Und so setzt die Regierung nun vor allem auf Abschreckung. Über 50 Randalierer, die an den Ausschreitungen Anfang Mai beteiligt waren, wurden schon medienwirksam festgenommen. Purski hingegen setzt mit seinem Antirassismus-Projekt auf Bildung. „Wir wollen eine neue Generation von Fans heranziehen. Eine, die sich nicht manipulieren lässt und immun gegen den Hass ist.“ Eine, die ins Stadion geht, um Fußball zu gucken.


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