Im Eishockeyfieber
Vor der WM-Eishockeyarena in der slowakischen Stadt Kosice hat sich eine lange Schlange gebildet. Ungeduldig warten die Fans auf die Sicherheitskontrollen, bevor sie durch die engen Eingänge ins Stadion strömen. Mehr als 6.000 Menschen drängten sich alleine Mitte April beim Freundschaftsspiel Slowakei gegen Schweden in das ausverkaufte Stadion. Das Duell galt als Testspiel zur Weltmeisterschaft, die mit einem Match zwischen Deutschland und Russland am 29. April in dem eishockeybegeisterten Land beginnt.
„Ich freue mich sehr auf das Ereignis“, sagt Martin Juhas, einer von drei Teenagern, die in Kosice am Stand mit Fanartikeln stehen. Das Interesse an den rot-weiß-blauen Hüten und den gestreiften Trikots ist sehr groß. „Die slowakischen Fans sind schon jetzt absolut euphorisch“, freut sich die junge Verkäuferin und lächelt die Kunden an. „Heute kamen tausende Menschen vorbei, fast jeder machte einen Stopp bei mir.“
Rot-Weiß-Blau sind die Farben der slowakischen Nationalmannschaft / Daniela Capcarova, n-ost
Die Slowakei fiebert der Weltmeisterschaft entgegen, die in der Hauptstadt Bratislava und im ostslowakischen Kosice bis zum 15.Mai stattfinden wird. Die Stimmung ist ähnlich euphorisch wie bei der Fußballweltmeisterschaft in Deutschland vor fünf Jahren, das Land ist seit Wochen im Ausnahmezustand. Insgesamt werden 350.000 Eishockey-Fans erwartet. Die slowakische Eisenbahngesellschaft ZSR bietet eine spezielle „Eishockey-Fahrkarte“ an, die zwischen 28. April und 16. Mai beliebig viele Fahrten kreuz und quer durch die Slowakei ermöglicht.
In Kosice sind neben der WM-„Steel Arena“ zwei große Fanposten mit Public Viewing Leinwänden aufgestellt, eine davon mitten auf der Hauptstraße, die für die Zeit gesperrt wird. 200 Freiwillige haben sich gemeldet, die den ausländischen WM-Fans den Weg erklären und helfen wollen. Vor drei Wochen wurde das 96 Millionen Euro teure WM-Eishockeystadion in Bratislava eingeweiht. Der über 70 Jahre alte Bau wurde vollständig saniert und mit einer futuristisch-asymmetrischen Fensterfront versehen. Es trägt den Namen des slowakischen Weltmeisters und Olympiasiegers im Eiskunstlauf Ondrej Nepela. Die Tickets für die rund 10.000 Plätze sind seit Monaten ausverkauft.
Die WM-Spiele sind längst ausverkauft, die Stadien in Bratislava undKosice wurden modernisiert. Hier das Freundschaftsspiel Slowakei gegen Schweden Mitte April, das die Slowakei mit 5:1 gewann / Daniela Capcarova, n-ost
Eishockey ist in der Slowakei die Sportart Nummer Eins – ähnlich wie in Deutschland der Fußball. „Der weiße Sport ist schon seit knapp hundert Jahren beliebt“, erklärt der Pressesprecher des Slowakischen Eishockeyvereines Peter Dobias. Die slowakischen Hockeyspieler erzielten seit 1920 internationale Erfolge, 1925 wurde die Europameisterschaft in der Hohen Tatra ausgetragen.
Zur Beliebtheit des Sports trugen von 1950 bis heute auch die vielen slowakischen Eishockeylegenden bei. Am bekanntesten ist Stan Mikita, der als Kind die damalige Tschechoslowakei verließ und von 1959 bis 1980 in Chicago spielte. Von den Spielern der jüngeren Generation waren Miroslav Satan, Pavol Demitra, Peter Bondra und Marian Gaborik in den USA am erfolgreichsten. Mehr als 70 slowakische Spieler und vier Torwarte schafften bislang den Sprung in die National Hockey League (NHL) in den USA.
Entsprechend stolz sind die rund 5,5 Millionen Slowaken auf ihre Nationalsportart. Allein beim Testspiel gegen Schweden Mitte April reagierten die Fans mit minutenlangen Wellen, trommelten, sangen und winkten mit der weiß-blau-roten slowakischen Flagge. Fünf Tore erzielte das slowakische Team gegen den klar unterlegenen Gegner Schweden. „Eishockey wird immer beliebter, denn in dieser Sportart hat die Slowakei ihr Weltniveau im Gegensatz zum Fußball gehalten“, sagt Matej Pastor aus Kosice, dessen Bruder als Junior in der kanadischen Eishockeyliga spielt. „Auch in unserer Liga gibt es gute Spieler und viele Tore“, meint der 21-Jährige, der als eiserner Fan etliche WM-Spiele in seiner Heimatstadt verfolgen wird.
Fanartikel und Tickets sind längst ausverkauft / Daniela Capcarova, n-ost
Für die Nationalmannschaft ist die Begeisterung der Fans ein klarer Heimvorteil. Nach dem klaren Fünf zu Eins gegen Schweden lobte Verteidiger Martin Strbak seine Fans: „Ihr habt uns heute sehr unterstützt“, rief er begeistert ins Mikrofon. Eine WM-Medaille möchte Strbak den Slowaken allerdings noch nicht versprechen. Doch die Chancen stehen nicht schlecht. Bereits 2002 holte die Slowakei den Weltmeistertitel. „Damals haben wir unsere Fans in einen Rausch versetzt“, sagt Strbak. „Das würden wir bei der WM zu Hause gerne wiederholen“, lacht er und stellt spitzbübisch seinen blauen Schutzhelm ein.