Rumänien

Kampf gegen Zwangsprostitution

Dana war siebzehn, als alles zerbrach. Ihre Liebe, ihre Träume, ihre Seele. Fünf Jahre ist es her, und sie sieht immer noch aus wie eine Halbwüchsige. Als sei die Zeit seit damals stehengeblieben.

Ihr Blick hat etwas Gequältes, ihre Bewegungen sind nervös. Sie sei in schlechte Gesellschaft geraten, erzählt sie stockend und beschämt, leider habe sie sich in den Falschen verliebt. „Er hat mich betrogen“, sagt sie. „Wir wollten zusammen nach Italien, aber im letzten Moment hat er gesagt, er habe noch andere Sachen zu tun, ich solle mit seinen Freunden fahren, er würde nachkommen.“

Dana schluckt und schweigt. Und dann? „Er ist dann nicht mehr gekommen. In Italien wurde ich gefangen gehalten, bedroht, geschlagen... naja, und solche Sachen.“ Solche Sachen. Sie meint damit: Vergewaltigungen und Zwangsprostitution.

Ein Landhaus in einem Dorf nahe der südrumänischen Stadt Pitesti. Hier leben ein Dutzend Mädchen und junge Frauen, die als Minderjährige quer durch Europa verkauft wurden und sich zwangsweise prostituieren mussten. Damit sie geschützt sind vor Menschenhändlern und Zuhältern, sollen der Name des Dorfes und Familiennamen der Betroffenen nicht genannt, sollen keine Fotos gemacht werden.

Gegründet hat das Mädchen- und Frauenwohnheim die Psychologin Iana Matei. Die 52-Jährige stammt aus der Stadt Pitesti und emigrierte 1990 nach Australien, wo sie mehrere Jahre lang in Straßenkinderprojekten arbeitete. 1998 traf sie bei einem Urlaub in ihrer rumänischen Heimatstadt zufällig Mädchen, die Zwangsprostituierte gewesen waren. Ihr Schicksal und das Thema überhaupt ließen Iana Matei nicht mehr los. 1999 brach sie ihre Zelte in Australien ab, kümmerte sich anfangs privat um minderjährige Zwangsprostituierte und gründete dann mit Spendengeldern den Verein „Reaching Out“ und ein Mädchen- und Frauenwohnheim.

Es ist bis heute das einzige derartige Projekt in Rumänien. Zwar gibt es staatliche Heime für Kinder und Jugendliche mit sozialen Problemen, in denen prinzipiell auch Opfer von Menschenhandel und Zwangsprostitution unterkommen können. Doch sie genießen dort keinen speziellen Schutz und keine spezielle Betreuung. Immer, wenn Iana Matei darüber spricht, empört sie sich. „Handel mit minderjährigen Mädchen und Zwangsprostitution sind sehr verbreitete Phänomene“, sagt sie, „aber es wird nirgendwo konsequent dagegen durchgegriffen, weder in Ursprungsländern wie Rumänien noch in den Zielländern in Europa.“

Offiziell registrierte die rumänische „Nationale Agentur gegen Menschenhandel“ (ANITP) 2011 knapp zweihundert minderjährige Opfer von Menschenhandel und Zwangsprostitution. In Wirklichkeit liegt die Dunkelziffer um ein Vielfaches höher. Experten gehen von tausenden Fällen jährlich aus.

Iana Matei wirft den rumänischen Behörden jedenfalls vor, dass sie das Problem gern herunterspielen. Immer wieder musste die Psychologin auch die Erfahrung machen, dass die minderjährigen Opfer von Menschenhandel und Zwangsprostitution schlicht nicht ernst genommen werden. „Oft höre ich von Leuten auf der Straße, aber auch von Behördenvertretern, dass die Mädchen es in Wirklichkeit doch wohl selbst so gewollt hätten“, sagt Iana Matei. „Das ist für mich immer der größte Schock - wenn den Kindern vorgeworfen wird, sie seien selbst schuld.“

Auch Dana macht sich indirekt Vorwürfe. Dass sie in schlechte Gesellschaft geraten, dass sie zu vertrauensselig gewesen sei. Fünf Monate dauerte ihr Martyrium in Italien, dann konnte sie fliehen und wurde nach Hause gebracht. Sie ist froh, im Heim von Iana Matei untergekommen zu sein. Unter der Betreuung von Iana Matei hat sie ihr Abitur nachgeholt. Sie will Psychologie studieren.

Dana wuchs in Bukarest auf. Ihre Mutter verstarb früh, der Vater ist streng religiös, über das, was ihr in Italien angetan wurde, kann sie mit ihm nicht sprechen. Außer ihrem älteren Bruder hat sie nur Iana Matei als Vertraute. Das ist für sie umso wichtiger, als sie eine Zeugin in einem Prozess gegen Menschenhändler sein wird.

Leider, sagt Iana Matei, würden solche Kriminelle meistens noch immer viel zu milde bestraft. „Sie müssten sehr, sehr lange ins Gefängnis kommen und ihre Vermögen müssten konfisziert werden“, fordert Iana Matei. „Aber nirgendwo sind die Maßnahmen wirklich drakonisch, weder in den Ursprungs- noch in den Zielländern. Die Händler sitzen im Allgemeinen ein, zwei Jahre im Gefängnis. Das war es dann.“


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