Polen

NPD will Grenze schließen

Wenn Horst Ganske über die Lastwagen spricht, die über die Chausseestraße rauschen, muss man ihm genau zuhören. Denn für ein beiläufiges Gespräch ist es in seinem Hausflur zu laut. Auch jetzt scheppern die Anhänger durch Löcknitz, weiter nach Pasewalk und Neustrelitz. Über die B104 in Vorpommern, aus und nach Linken, dem nahe gelegenen Grenzübergang zu Polen.

Auch im Küchenschrank von Bürgermeister Lothar Meistring (Die Linke) scheppert das Geschirr. „Seit dem Wegfall der Grenzkontrollen im Dezember 2007 ist es besonders schlimm“, sagt er. „Aber schon nach der EU-Osterweiterung 2004 hat sich das nach und nach entwickelt.“ Zudem sparen sich viele Fahrer die Autobahn-Maut und weichen massenweise auf die Bundesstraßen aus. Ebenso an der B5, die von Frankfurt/Oder einmal quer durch Brandenburg und Mecklenburg bis in den Hamburger Hafen parallel zur A24 führt. So wurden alleine an der Zählstelle in Lietzow (Havelland) im Jahr nach Einführung der Maut dreimal mehr Lkw registriert als zuvor.

Horst Ganske wurde deshalb zum Wutbürger – so nennt ihn sein Bürgermeister: Ganske hat sich schon auf die rechtsextremen NPD eingelassen, die sich auf jeden Konflikt in der Grenzregion stürzt. „Die NPD ist doch die einzige Partei, die mir zuhört“, sagt Ganske. Gemeinsam mit 100 Neonazis und der NPD hatte er im Dezember gegen den Lastverkehr aus Polen demonstriert.


Seit dem EU-Beitritt Polens hat sich der LKW-Verkehr an der deutsch-polnischen Grenze in vielen Orten verdreifacht. Foto: Olaf Sundermeyer

Bürgermeister Lothar Meistring ärgert das: „Die NPD nimmt sich die Themen, die die Leute hier bewegen. Das ist: Polen raus, Poleninvasion stoppen, immer gegen die Polen.“ Dabei ist die grenzüberschreitende Wirtschaft lebensnotwenig für die gesamte Grenzregion. Meistring sagt, dass inzwischen kein Unternehmen in der Gegend mehr auf Geschäfte mit Polen verzichten kann. In Löcknitz ist jeder achte Gewerbeanmelder schon ein Pole. Und aus dem Nachbarland kommen die meisten Käufer der zahlreichen leer stehenden Häuser. Wegen der nützlichen Nachbarschaft forderte der Verkehrsminister aus Mecklenburg-Vorpommern, Volker Schlotmann (SPD), in der vergangenen Woche im Schweriner Landtag die „grenzüberschreitende Zusammenarbeit weiter auszubauen, um die wirtschaftliche Entwicklung in beiden Ländern zu stärken“.

Auch die Wirtschaftsverbände forcieren den deutsch-polnischen Handel über die B104. Die Industrie- und Handelskammer (IHK) Neubrandenburg wendet sich strikt gegen eine Sperrung für den Lastverkehr. 30 Gemeinden aus Mecklenburg-Vorpommern, Brandenburg und der Wojewodschaft Westpommern haben sich zuletzt zusammengeschlossen, um den strukturschwachen Wirtschaftsraum zwischen Berlin und Stettin zu entwickeln.

Einzig die NPD wendet sich dagegen, mit einer anhaltenden Polenhetze, die ihr bereits zum Einzug in den Landtag bei den vergangenen Wahlen 2006 behilflich war. Damals kam sie in Löcknitz auf fast 20 Prozent, im Landesdurchschnitt auf über sieben Prozent. Im kommenden September sind erneut Landtagswahlen. Und so hieß es schon im November in einem Arbeitspapier des Verkehrsministeriums zum „Schwerlastverkehr auf der B104“: „Gefahr: Instrumentalisierung durch die NPD.“ Dirk Bahlmann, Gemeindevertreter der NPD, kündigte an: „Wir werden an diesem Thema dran bleiben und weitere Demos organisieren, bis eine nachhaltige Lösung für unsere Bürger herbeigeführt wird.“

Die Landespolitik fühlt sich von der NPD getrieben, zumal die Zuständigkeit für die B104 nicht bei ihr, sondern beim Bund liegt. Am Ortseingang wurden Schilder auf Deutsch und Polnisch aufgestellt, die um Rücksichtnahme der Lkw-Fahrer bitten. Außerdem gilt nach 22 Uhr für Lkw über 7,5 Tonnen eine Geschwindigkeitsbegrenzung auf 30 km/h. Nur kontrolliere das niemand – behauptet Bürgermeister Meistring.

Eine weitergehende Sperrung der Straße kommt nicht in Frage, denn dann „besteht die Gefahr, dass der Bund die Bundesfernstraße zur Landstraße herabstuft“, so das Memo des Ministeriums, das zusätzliche Kosten für sein Land fürchtet. Das Ministerium schlug deshalb vor, auch auf der Bundesstraße eine Maut zu erheben, und delegierte das Problem so weiter an den Bund. Unterdessen gibt es für Lothar Meistring nur eine Lösung, nämlich „dass der Grenzübergang Linken für den Schwerlastverkehr geschlossen wird.“ Aber das ist eine Forderung der NPD.


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