Klitschko will Präsident werden
Im Kampf um den Titel im WBC-Schwergewicht hat Vitali Klitschko gute Chancen, seinen Pflichtherausforderer, den kubanischen Boxer Odlanier Solis, zu besiegen. Doch gleichzeitig macht der ältere der beiden Klitschko-Brüder sich Gedanken, was nach seiner Boxer-Karriere kommt: In dieser Woche kündigte er an, dass er als Titelträger abtreten wolle. Am liebsten wollen er und sein Bruder Wladimir zuvor alle bedeutenden Schwergewichtstitel auf sich vereinen. Und seine Frau Natalia hofft, dass jeder Kampf sein letzter ist. Für die Zeit nach dem Ring hat sich Klitschko bereits einen neuen Gegner ausgesucht: Den ukrainischen Präsidenten Viktor Janukowitsch.
Die Politik hat der Champion schon länger für sich entdeckt. Hier ist er der Herausforderer eines Gegners, der seine Macht zuletzt rücksichtslos zu festigen verstanden hat. Viktor Janukowitsch war bereits vor der orangefarbenen Revolution von 2004 Präsident der Ukraine und ist seit einem Jahr erneut im Amt. Nun sieht es so aus, als wolle sein pro-russisches blaues Lager durch Repressalien gegen Opposition und Presse die halbautoritären ukrainischen Zustände wiederherstellen.
„Orange und blau, das ist Geschichte“, sagt Vitali Klitschko jetzt. Dabei wirkt er etwas zerknirscht. Weil die Ideale von damals verblasst sind, hat er eine eigene Partei gegründet. Klitschko ist Vorsitzender der „Ukrainischen Demokratischen Allianz für Reformen“, abgekürzt Udar – ukrainisch für Schlag. Zuletzt kam Klitschko gar zu politischen Gesprächen mit ranghohen CDU-Vertretern nach Berlin. Dort empfing man ihn als Hoffnungsträger einer demokratisch gesinnten Zivilgesellschaft, die sich Janukowitsch entgegenstellt. Nico Lange aus dem Kiewer Büro der parteinahen Adenauer-Stiftung sieht in Udar eine „demokratische und rechtsstaatliche Bewegung“, die es zu unterstützen gelte. Klitschko durfte vor der CDU-Zentrale seine massigen Arme ausbreiten, und von der „großen Ehre“ sprechen, im Büro von Angela Merkel gestanden zu haben. „Aber die Bundeskanzlerin war leider nicht da.“
Das lag wohl auch daran, dass Merkel bislang die direkte Konfrontation mit Janukowitsch meidet. Unterdessen betont Klitschko, dass er gerne Präsident der Ukraine werden möchte. Die Ziele von Udar klingen wie eine Übersetzung des CDU-Programms: „Soziale Marktwirtschaft, Demokratie und Bürgerrechte sind die Eckpunkte unserer Politik“ – so Klitschko, der gerne von seiner „Vision“ redet: Der weltgewandte Athlet möchte sein Land irgendwann in der Europäischen Union sehen. Auch darin unterscheidet er sich von Amtsinhaber Viktor Janukowitsch.
Noch ist Klitschko keine ernst zu nehmende politische Größe in der Ukraine: Seit den Kommunalwahlen im Oktober vergangenen Jahres ist Udar in 15 Regionen vertreten, mit 400 kommunalen Mandatsträgern. In der Obersten Rada, dem ukrainischen Parlament, sitzt Udar bislang nicht.
Doch im Sommer wird Klitschko 40 Jahre alt. Und auch jetzt, vor dem Kampf gegen Solis, spricht er wieder einmal vom Ende seiner sportlichen Karriere. Danach soll seine politische Laufbahn erst richtig beginnen. Dabei ist es nicht der erste Versuch des Politikers Vitali Klitschko. Nach der orangefarbenen Revolution wurde er zunächst zum Berater des neuen Präsidenten Viktor Juschtschenko. Zwei Jahre später trat er mit einem eigenen Block Vitali Klitschko bei den Kiewer Bürgermeisterwahlen an, ebenso 2008. Dabei kam er auf die Plätze zwei beziehungsweise drei. Dieses Debüt brachte ihm reichlich Häme ein, und der Boxer Klitschko prägte den Satz: „Politik ist wie ein Kampf ohne Regeln.“
Ein paar Regeln beherrscht er aber doch: Seit feststeht, dass die Ukraine im kommenden Jahr (gemeinsam mit Polen) die EM ausrichtet, zeigt Klitschko sich auch als Fußballfan.