Belarus

Kalaschnikows für Gaddafi

Belarus und die Ukraine exportieren offenbar seit Jahren im großen Stil Waffen nach Libyen. Nach Informationen des bekannten Stockholmer Friedensforschungsinstituts SIPRI soll der lybische Machthaber Muammar al-Gaddafi in den letzten Wochen zweimal sein Privatflugzeug in die belarussische Hauptstadt Minsk geschickt haben. Die Experten gehen davon aus, dass das Flugzeug mit Diamanten beladen war, mit denen Gaddafi anscheinend eine 40 Tonnen schwere Waffenlieferung aus Belarus bezahlt hat. Zudem sollen belarussische Söldner in Libyen gegen die Aufständischen kämpfen. Und immer wieder hört man, Gaddafi wolle aus der libyschen Hauptstadt Tripolis nach Belarus fliehen.

Am Montag (14. März) veröffentlicht SIPRI seine aktuelle Statistik über den weltweiten Waffenhandel im Jahr 2010. In dem Report könnten weitere Details über die Verstrickungen vor allem osteuropäischer Staaten bekannt werden. So liefert vermutlich auch die Ukraine im großen Stil Waffen nach Libyen. Nach einem Bericht der „Kyiv Post“ setzt die libysche Armee möglicherweise ukrainische Waffen gegen die Aufständischen ein. Vor allem Kalaschnikows seien nach Libyen geliefert worden. Nach Angaben von SIPRI verkaufte die Ukraine allein in den Jahren 2004 bis 2007 über 100.000 Waffen an den nordafrikanischen Staat. Damit sei Libyen in diesem Zeitraum der drittgrößte Waffenimporteur der Ukraine.

„Belarus und die Ukraine gehören seit dem Ende des Kalten Krieges zu den 20 wichtigsten Waffenexporteuren weltweit“, sagt Paul Holtom vom SIPRI-Institut. „Beide Länder haben als Erbe aus Sowjetzeiten noch riesige Waffendepots. Daraus exportieren sie vor allem in die ehemaligen sowjetischen Bruderstaaten“.

Erst im Februar veröffentlichte das Stockholmer Friedensinstitut einen Bericht über ukrainische Waffenexporte nach Afrika. Zwischen 2005 und 2009 habe die Ukraine Waffen vor allem an den Tschad, an Kenia und Uganda geliefert. Exportiert worden seien Militärflugzeuge, Artillerie- und Panzerfahrzeuge sowie Maschinengewehre und Granaten. „Die Waffenexporte sollen uns Geld bringen“, gibt Mikhael Tschetschetow, Abgeordneter der regierenden Partei der Regionen, zu.

Dass ukrainische Kalaschnikows im aktuellen Konflikt in Libyen eingesetzt werden, leugnen die Verantwortlichen jedoch. Der ehemalige Direktor der staatlichen Waffenhandelsfirma Ukrspetsexport, Sergej Bondartschuk, dementiert einen Zusammenhang, ebenso wie Ex-Geheimdienstchef Valentin Nalyvaitschenko: „Wir haben nach Libyen nur technisches Zubehör und Maschinen exportiert“, sagte er dem Fernsehsender Kanal Fünf.

Doch auch andere Fakten sprechen dafür, dass die Ukraine schon lange militärische Geschäfte mit Libyen geführt hat. Im November 2008 kam Staatschef Muammar al-Gaddafi nach Kiew. Unter anderem ging es um den Handel mit Erdöl und Waffen. Die Ukraine besäße ein „kolossales Potential“ beim Waffenhandel, warb der damalige Präsident Viktor Juschtschenko anlässlich des Staatsbesuchs. Knapp ein Jahr später reiste die damalige Premierministerin Julia Timoschenko nach Tripolis. Auf dem Programm standen Gespräche über die Zusammenarbeit im Militärsektor. Ukrainische Rüstungsunternehmen würden eine „deutlich höhere Anzahl an Aufträgen“ bekommen, sagte Timoschenko kurz nach ihrem Besuch.

Auch belarussische Menschenrechtler vermuten, dass an den Vorwürfen gegen den Diktator Alexander Lukaschenko mehr dran ist, als die Verantwortlichen zugeben. Sie weisen darauf hin, dass der Sicherheitsdienst von Präsident Lukaschenko auch den gestürzten kirgisischen Staatschef Kurmanbek Bakijew im April 2010 nach Belarus geholt hatte. Der Ex-Diktator lebt mit seiner Familie bis heute in Minsk.

Doch selbst wenn bei der Veröffentlichung am Montag weitere Details bekannt werden, werden weder in Belarus noch in Minsk nennenswerte Reaktionen erwartet. In der Ukraine haben die Menschen vor allem mit sozialen Problemen zu kämpfen, die Lebensmittelpreise sind drastisch gestiegen. In Belarus taucht Nordafrika in den belarussischen Medien kaum auf. Im staatlichen Fernsehen wird die Keule der Islamismus-Gefahr geschwungen. Nach den Massenverhaftungen zahlreicher Oppositioneller bei den umstrittenen Präsidentschaftswahlen im Dezember sind Menschenrechtsorganisationen zudem vorsichtiger geworden. „Wir beobachten derzeit die zahlreichen Strafverfahren gegen die am Wahlabend Verhafteten”, erklärt ein Mitarbeiter einer Organisation, der nicht genannt werden will. „Unser Gaddafi ist noch da, wir können uns nicht um zwei kümmern”, fügt er hinzu.

Nicht nur die Staaten der ehemaligen Sowjetunion haben mit Libyen profitable Waffengeschäfte gemacht. In den siebziger und achtziger Jahren rüstete auch der Westen das Gaddafi-Regime kräftig auf. Frankreich, Italien und die USA lieferten Kampf- und Transportflugzeuge, Schweden exportierte Artilleriegeschütze und Brasilien verkaufte über 1.000 Panzerfahrzeuge an die libysche Armee. Von den EU-Staaten war Italien der größte Waffenlieferant, Libyen soll sogar mit zwei Prozent an der italienischen Rüstungsfirma Finmeccanica beteiligt sein. Das libysche Militär sei weitgehend abhängig von dem Waffenarsenal aus den siebziger und achtziger Jahren, sagt Pieter Wezeman vom Stockholmer Friedensinstitut. „Die meisten Waffen aus diesem Arsenal sind jedoch eingelagert, da Gaddafi wenig Personal hat, um diese zu bedienen“, fügt Wezeman hinzu.


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