Blumen statt Emanzipation
Darina Janosova ist Steuerberaterin und Mutter. Eine längere Pause nach der Geburt ihrer Tochter hat sie nicht genommen. „Ich habe auch während des Mutterschaftsurlaubs gearbeitet, weil das Mutterschaftsgeld vom Staat nicht ausreicht“, sagt die 43-Jährige aus Bratislava. „Das war im Sozialismus nicht so. Damals hatten alle Frauen Arbeit. Frau zu sein bedeutet heute, dass sich jede um eine Arbeit kümmern muss“, bilanziert sie die Situation.
Noch immer bekommen viele Osteuropäerinnen am 8. März Blumen überreicht. Denn der Internationale Frauentag, der vor über 100 Jahren auf Initiative von Frauenrechtlerinnen wie Clara Zetkin ins Leben gerufen wurde, hat in den ehemals sozialistischen Ländern Tradition: Die Männer standen Schlange nach roten Nelken, die Kinder schenkten ihren Müttern und Lehrerinnen Blumensträuße, und für die weiblichen Angestellten gab es Betriebsfeiern.
Mehr Frauen in Führungspositionen als im Westen
Das, wofür die westlichen Frauen nach 1968 hart kämpften, hatten die osteuropäische Frauen im Sozialismus scheinbar von vornherein: Die Gleichberechtigung war in den Betrieben, Krankenhäusern und in der Wissenschaft staatlich verordnet. Kinderkrippen und Horte ermöglichten den Frauen, ihren Beruf auszuüben. Doch es gab keine Teilzeitstellen, so waren die Frauen im Sozialisums einer Doppelbelastung ausgesetzt. Nach der Arbeit mussten sie zuhause noch den Haushalt erledigen.
Laut einer EU-Studie von 2009 arbeiten innerhalb der EU 30 Prozent der Frauen in Führungspositionen. In der Slowakei beträgt die Anzahl der Frauen in Managementpositionen 31,2 Prozent, womit das 5,5-Millionen-Einwohner-Land deutlich vor Deutschland liegt. Der Frauenanteil in Führungspositionen liegt im Osten Deutschlands bei knapp 25 Prozent, im Westen bei durchschnittlich 18 Prozent.
Doch weil es im Osten keine Emanzipationsbewegung wie im Westen gegeben hat, erinnern die heutigen Stereotype an die Zeit der sechziger Jahre. Nach der Arbeit stehen Managerinnen häufig zuhause am Herd: „Die männlich geprägte Gesellschaft verzeiht der Frau eher das Versagen im Beruf oder einer öffentlichen Funktion als die Vernachlässigung von Familie, Kindern und Ehemann“, heißt es in einer Untersuchung im Auftrag der slowakischen Frauenrechtsorganisation „Aliancia žien – Allianz der Frauen“. Der Druck der öffentlichen Meinung und das traditionelle Bild des für höhere Ziele bestimmten Mannes sorgten dafür, dass auch gut ausgebildete Mütter dazu neigen, ihre Söhne nicht in die Arbeit im Haushalt einzubinden, so die Studie.
Kaum Anspruch auf Unterhalt bei Scheidung
Die Folgen der schwächeren Emanzipation der Frauen in ihren Beziehungen und der oft unkritischen Einstellung der Mütter zu ihren Söhnen sind gravierend. „Immer mehr verheirateten Frauen geraten wegen des unverantwortlichen Handelns ihrer Ehemänner in eine Schuldenfalle“, sagt Adela Kostilnikova, die zwei Jahre ein Frauenhaus in Prag leitete. „Viele Männer machen hinter dem Rücken ihrer Frauen Riesenschulden. Sie müssen dann für den Ehemann die Hälfte der Schulden abbezahlen.“ Auch eine Scheidung kann die Frau finanziell ruinieren. Während des Sozialismus sorgte der Staat dafür, dass die Männer ihren geschiedenen Frauen rechtzeitig Alimente auszahlten. Wenn ein Ex-Mann nicht arbeitete, drohte ihm Gefängnis. Diese Situation hat sich geändert: „Die Frauen hier haben im Unterschied zu den westlichen Frauen fast nie Anspruch auf Unterhalt vom Exmann. Die Alimente, die sie vom ehemaligen Gatten per Gerichtsurteil bekommen, reichen zusammen mit ihrem Gehalt nicht immer zur Deckung des Familienbudgets aus“, so Kostilnikova.
Hinzu kommt, dass viele osteuropäische Länder sehr konservativ geprägt sind. Abtreibungen sind in Polen bis heute verboten. Der slowakische Gesundheitsminister übte vor kurzem heimlich Druck auf Gynäkologen staatlicher Kliniken in Bratislava gegen Abtreibungen aus. Diese wollten von heute auf morgen ohne Begründung den sogenannten „Gewissensvorbehalt“ verwenden und keine Abtreibungen durchführen. In Tschechien können sich alleinstehende bedürftige Frauen mit Kindern nur mit Mühe eine Sozialwohnung leisten.
Die slowakischen Frauenrechtlerinnen hoffen darauf, dass die junge Generation zum Thema Gleichberechtigung positiver eingestellt ist unddarauf, dass osteuropäische Frauen mehr für ihre Rechte kämpfen. „Die Gleichberechtigung der Frauen setzt natürlich auch eine aktive Teilnahme der Männer voraus – von der Wahrnehmung der heutigen Unterschiede zwischen den Geschlechtern, über die Notwendigkeit einer Veränderung der heutigen Umstände bis hin zur Durchsetzung dieser Veränderung im realen Leben“, schreibt die Frauenrechtlerin Zora Butorova in einer Studie.