Rumänien

Proteste gegen Bukarester Stadtautobahn

Eine Autobahn wird unser Leben auch nicht leichter machen“, schimpft Taxifahrer Alexandru Chirita, während er in seinem müden Dacia durch Bukarest kurvt. An einer roten Ampel bleibt er abrupt stehen, dann geht es im Schneckentempo weiter. Der Verkehr staut sich an jeder Ecke.

Das Straßennetz der rumänischen Hauptstadt Bukarest ist dem Verkehr kaum noch gewachsen. Über eine Million Autos sind zur Zeit in Bukarest registriert, rund 100.000 kamen allein im Vorjahr dazu. Das entspricht etwa zwei Autos pro drei Einwohner, mehr als in Moskau oder New York. Die Regierung plant deshalb eine Stadtautobahn, die quer durch Bukarest führen soll.


Für die neue Stadtautobahn in Bukarest werden viele Altbauten dem Erdboden gleichgemacht / Cristian Ciureanu, n-ost

Umweltschützer und zivile Organisationen dagegen fürchten, dass die vierspurige Straße die Substanz und das Stadtbild Bukarests zerstört. Für den Neubau muss ein gutes Dutzend denkmalgeschützter Bauten abgerissen werden. Drei Häuser sind bereits verschwunden, darunter ein Hotel im Stil des Art Déco. „Warum braucht Bukarest eine Verkehrsschneise mitten durch die Stadt, wenn man auch drum herum einen Ring bauen könnte?“ fragt Mircea Ilie, Vizepräsident von der Protestorganisation Viitor Plus. „In den 30er Jahren wurde erstmals erwähnt, dass ein Boulevard gebaut werden müsste. Doch seit der Zwischenkriegszeit hat sich die urbane Mentalität geändert“, so Ilie. „Wir wiederholen die Fehler, die im Westen in den 70er Jahren gemacht wurde. Dort versucht man gerade, diese Fehler zu beheben, und wir lernen nichts daraus.“ Bukarest solle lieber nach dem Vorbild anderer europäischer Städte handeln – nämlich Autos immer mehr aus dem historischen Zentrum verbannen und die Bevölkerung ermutigen, aufs Fahrrad oder öffentliche Verkehrsmittel umzusteigen.

Der Stadtbebauungsplan wurde schon vor Jahren bewilligt. Doch erst in diesem Winter begann der Abriss der ersten Gebäude. Und keine Aktion der Bürger konnte die Bulldozer aufhalten. Die „Plattform für Bukarest“, zu der sich vierzig Organisationen zusammengeschlossen hatten, hatte versucht, im Stadtrat und in der Technischen Kommission auf Gleichgesinnte zu stoßen, doch Verhandlungen und Gespräche scheiterten. Auch Proteste in der Innenstadt ließen die Stadtverwaltung kalt. Bürgermeister Sorin Oprescu droht sogar damit, die demonstrierenden Vereine vor Gericht zu bringen, da die Arbeiten wegen der Protestaktionen bereits um mindestens anderthalb Monaten in Verzug geraten sind.


Immer mehr Häuser müssen der geplanten Stadtautobahn in Bukarest weichen /  Cristian Ciureanu, n-ost.

Die meisten Bukarester allerdings sind von den verstopften Straßen und Staus entnervt. „Jede Straße, die meine täglichen Fahrten verkürzt, muss gebaut werden“, sagt deshalb Alin Bradu. Der 31-Jährige sitzt täglich rund drei Stunden im Auto, um einige Kilometer zur Arbeitsstelle zu fahren. „Das Verkehrsproblem in Bukarest muss gelöst werden, auch wenn das heißt, einige Gebäude abzureißen oder dass einige Familien im Interesse der Mehrheit umziehen müssen. Außerdem waren die meisten Altbauten hier ohnehin schon marode.“

Die Gegner des Autobahn-Projekts argumentieren indes auch historisch: Denn die Pläne für die Autobahn erinnern an die hochtrabenden Visionen von Diktator Nicolae Ceausescu. Unter dessen Regierung wurden Mitte der 80er Jahre etliche historische Straßenzüge in Bukarest abgerissen, um das gigantische „Haus des Volkes“, den heutigen Parlamentspalast, zu bauen. 40.000 Gebäude, die meisten mit historischem Wert, sind im Bukarest zwischen den 80er Jahren abgetragen worden. Die Fläche entspricht etwa der der Stadt Venedig. Der neuen Stadtautobahn könnten jetzt die wenigen noch verbliebenen historischen Bauten zum Opfer fallen.

Taxifahrer Alexandru Chirita bremst scharf ab und drückt auf die Hupe. Er steht schon wieder im Stau. Von der neuen vierspurigen Trasse quer durch Bukarest will er dennoch nichts wissen: „Das Verkehrschaos wird bleiben, denn die Straßen hier sind generell zu schmal. Daran ändert auch eine Stadtautobahn nichts“, sagt er.


Weitere Artikel