Tschechien

Schlagkräftiger Osterbrauch

In der Nähe von Weidenbäumen tummeln sich in Tschechien am Osterwochenende ungewöhnlich viele Männer. Ob jung oder alt, alle schneiden sie frische, biegsame Zweige ab und tragen sie gebündelt nach Hause. Auch Miroslav Adamek aus dem nordmährischen Zlate Hory ist wieder unterwegs. Der 67-Jährige kann sich an kein Osterfest ohne Weidenzweige erinnern. Mit seinem 45-jährigen Sohn Mirek setzt er sich auf die Bank vor dem Haus und flicht in etwa zwanzig Minuten jeweils acht Zweige zu einer Rute zusammen.

Zum Einsatz kommen sie am Ostermontag, der in Tschechien auch „Peitschen-Montag“ genannt wird. Dann zieht Miroslav Adamek zusammen mit Sohn Mirek und seinem Bruder Franta los, zu Verwandten, Nachbarinnen und Bekannten. Gestartet wird zu Hause: Die Männer jagen Ehefrauen und Mädchen durchs Haus und den Garten. Mireks Tochter Kamila hat dabei schon mal ein Kleid eingebüßt. Es ist zerrissen, als ein Schulfreund ihre Flucht vereiteln wollte: „Der Tradition und der Kinder zuliebe mache ich mit“, sagt die inzwischen zweifache Mutter, „aber ich selbst finde diesen Osterbrauch nicht besonders toll.“

Alljährliche Verjüngungskur

Ganz anders ihre in Deutschland lebende Tante Anna Pojezdalova. Bei ihr graben sich jedes Jahr nach Ostern neue Fältchen ins Gesicht. Und das nur, weil ihr keiner die alljährliche Verjüngungskur verabreicht. Schuld daran seien die deutschen Männer: „Als richtiger Mann musst du mich zu Ostern verhauen“, bettelt Anna Jahr um Jahr ihren deutschen Ehemann an. Auf „Schläge“ wartet sie aber immer wieder vergebens. Ihr Mann Roland ist Pazifist und haut nicht. Keine Gewalt gegen Frauen – nicht mal zur Osterhasenzeit. Dabei geht es Anna Pojezdalova gar nicht darum, irgendwelchen masochistischen Trieben nachzugeben. Sie mag den archaischen Brauch: „Ich finde es lustig, mit der Rute durch die Gegend gejagt zu werden. Das gehört zu tschechischen Ostern einfach dazu.“

„Mit Frauenverprügeln hat das Ganze nichts zu tun“, bestätigt Eva Rypalova vom Tschechischen Nationalamt für Volkskultur in Straznice. „Durch das sanfte Schlagen soll die Lebenskraft und die Stärke der jungen Weidenzweige auf die berührte Person übergehen“, erklärt sie. Die Herkunft dieses Brauches aus vorchristlicher Zeit ist nicht genau belegt. Aber es gibt regionale Abwandlungen: „In Mähren und in der Slowakei bespritzen die Männer die Frauen zusätzlich noch mit Parfum und mit kaltem Wasser“, weiß Eva Rypalova. Das Osterschlagen wird vor allem auf dem Lande praktiziert. „In den Großstädten besuchen sich die Familien an diesem Tag“, so Rypalova. „Manchmal bringen die Männer auch Ruten mit, allerdings sind diese nicht selbst gemacht, sondern meistens gekauft.“

Die Männer torkeln durch den Ort

Miroslav Adamek kann sich Ostern ohne selbst geflochtene Rute nicht vorstellen: „Denn das macht die Frauen und Mädchen noch schöner und jünger.“ Gerne verschweigt er dabei, dass es den Männern natürlich weniger um das „Aufmöbeln“ der Weibsbilder geht, sondern vielmehr um die anschließende Belohnung. Denn während die Männer die Frauen „verjüngen“, sagen sie Osterreime auf, in denen sie um eine Gabe bitten. Jungen bekommen für ihren Rutengang meist ein bunt bemaltes Hühnerei oder Süßigkeiten. Jugendliche kriegen Geld, die Alten ein Stamperl mit selbst gebranntem Pflaumenschnaps, dem Slivovic – und für alle gibt es belegte Brote und Gebäck. An der nächsten Haustür gibt es dann Eierlikör. Oder Wein. Oder Magenbitter. Und am Nachmittag torkeln alle Männer durch den Ort.

Miroslav Adamek hat neben dem Schlagen auch schon andere Wellnesskuren an weiblichen Familienmitgliedern ausprobiert: Vor einigen Jahren hat er seine Frau, dann die Tochter und zuletzt die Nichte aus dem Tiefschlaf heraus in eine Wanne mit eiskaltem Wasser befördert. „Das reinigt und macht schön“, versichert Miroslav Adamek. Nicht alle Frauen kann das überzeugen. Seine Nichte hat sich seither an Ostern nicht mehr blicken lassen – sie bleibt lieber in der Großstadt.


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