Junggesellenabschied in Krakau
An diesem Samstagabend zeigt das Thermometer in der Krakauer Ulica Florianska minus zehn Grad an. Trotzdem laufen viele Passanten nur mit T-Shirts bekleidet herum. Marcus und seine Kumpels aus Köln beispielsweise, die gerade gröhlend über den Marktplatz torkeln. Bevor Marcus heiratet, lassen sie es hier das ganze Wochenende lang noch einmal krachen.
Auf dem Marktplatz steht auch Tomasz Maj. In eine dicke Daunenjacke gehüllt verteilt er Einladungen für den Club „Cosmopolitan“. „Die betrunkenen Ausländer gehören hier zum Straßenbild“, sagt der 24-jährige Pole.
Michal Ostrowski hat sich auf das Organisieren von Junggesellen-Abenden, sogenannter Stagnights, in Krakau spezialisiert. Übers Internet können die späteren Ehemänner aus einer ganzen Reihe von Tag- und Nacht-Angeboten auswählen. Von Paintball, Kartfahren und Übungen an einem Schießstand ist alles dabei. „Vor allem bei den Briten ist das Schießen beliebt, weil es bei ihnen zuhause verboten ist“, erzählt Michal Ostrowski. Nachts stehen Events mit Go Go-Tänzerinnen hoch im Kurs: Der jeweilige Junggeselle wird von Michals Kollegen „verhaftet“ und in einem ausrangierten Polizeiauto in einen GoGo-Club gebracht.
„Der Trip nach Krakau war ein Verlobungsgeschenk meiner Freunde. Jetzt machen wir hier richtig Party“, sagt John aus Belfast der im Club „Irish Embassy“ mit seinen Freunden feiert. Er und seine Freunde tanzen und singen auf der Bühne. Die meisten von Michal Ostrowskis Kunden sind zwischen 25 und 40 Jahre alt. Sie kommen nach Angaben des Veranstalters aus allen Schichten der Gesellschaft. Der Arbeiter aus Manchester sein genauso dabei, wie anspruchsvolle Besucher aus London.
Der Veranstalter versucht, auch ausgefallene Wünsche zu erfüllen, was nicht immer einfach ist. Denn manche Vorliebe des Gastes verstößt gegen polnische Sitten und Gebräuche. „Als Papst Benedikt XVI. Polen besuchte, wunderten sich die Briten, dass die Behörden ein Alkoholverbot in Krakau verhängt hatten. Einer der Besucher verkleidete sich dann auch noch als Papst, was die Krakauer nicht gerade komisch fanden“, erinnert sich Ostrowski. Der polnische Veranstalter hatte damals die Situation gerettet, indem er die Party seiner Kunden kurzerhand nach Schlesien verlegte.
Michal Ostrowski ist bereits ein alter Hase im Geschäft. Seit fünf Jahren veranstaltet er Stag-Nights. Am Anfang kamen meistens Engländer. Nun sind es auch Deutsche, Holländer und Skandinavier. „Die günstigen Flugtickets, der gute Ruf von Krakau und günstige Preise locken die Leute an“, meint Ostrowski. Auch die Gastronomie profitiere davon. „Die jungen Leute sind unsere Zielgruppe“, sagt Barkeeper Grzesiek Markowski während er seinen Gästen kaltes polnisches Bier vom Fass serviert.
Des einen Freud, des anderen Leid: Die feierfreudigen Leute sind nicht von allen in Polen gerne gesehen. Im Hostel „Tutti Frutti“ dürfen keine „Stags“ mehr untergebracht werden. „Wir hatten viele Probleme mit ihnen“, erzählt Rezeptionistin Paulina Kuczyńska. „Die jungen Männer waren oft betrunken und haben sich auffällig benommen. Manche wurden von der Polizei in Handschellen hier abgeliefert. Und es gab viele Beschwerden von anderen Gästen.“
Flyer-Verteiler Tomasz Maj hat schon beobachtet, dass sich die jungen Männer auf der Straße erbrechen, nackt in die Weichsel springen oder ohne Kleidung über den Marktplatz der polnischen Metropole laufen. „Auf viele Krakauer wirkt das abschreckend“, sagt er. Auch den Einsatzkräften von Polizei, Feuerwehr und Rettungsdiensten machen die Gäste oftmals viel Arbeit – Endstation der nächtlichen Feiertour ist nicht selten die Stadtwache der Krakauer Polizei. Die meisten Gastronome und Ladeninhaber dagegen sind begeistert davon, dass viele Ausländer ihre Jungesellen-Abschiede in Polen feiern. „Dank ihnen haben sie höhere Umsätze“, so Jarosław Janiczek von der Krakauer Tourismusorganisation.
Seiner Meinung nach hat die Stadt zwei Gesichter: Zum einen sei Krakau eine Kulturhauptstadt, zum anderen eine Studentenstadt, wo das Nachtleben in den rund 500 Pubs und Kneipen bis zum Morgengrauen andauert. „Auch wenn sich Krakaus Image als altehrwürdige Kulturstadt mit dem als Partystadt beißt, sind Touristen allmählich an beides gewöhnt“, meint Janiczek. „Das wilde Nachleben gehört zu Krakau mittlerweile dazu. Die anderen Gäste und die Einwohner respektieren das.“
Erasmus-Student Steffen aus der Nähe von Nürnberg lebt seit ein paar Monaten in Krakau und fühlt sich wohl: „In Krakau kann man jeden Tag bis sieben Uhr morgens feiern. Das ist einmalig.“