Von Danzig direkt nach Asien
Am Hochwasserkai des Danziger Hafens weht ein scharfer Wind. Das Containerschiff „Taikung“ der internationalen Groß-Reederei Maersk schaukelt am Kai. Mit einem Fassungsvermögen von 8.400 TEU, der Maßeinheit für Container, ist es in der Lage, Hochseestrecken bis nach Asien zu befahren. Von Danzig aus steuert die „Taikung“ ein Mal pro Woche Hongkong, Shanghai und Singapur an.
Großaufträgen wie dem von der Reederei Maersk verdankt der Danziger Hafen nun eine deutliche Verbesserung seiner Bilanz. Der polnische Hafen hat 2010 beim Container-Geschäft insgesamt 511.900 TEU verladen, doppelt so viel wie noch zwölf Monate zuvor. Das bisherige Hauptgeschäft, die Verladung kleinerer Containermengen in der Ostsee, rückte damit in den Hintergrund. „Das erste Andocken der ‚Taikung‘ im Januar 2010 an unserem Terminal hat eine neue Ära eröffnet“, freut sich Hafen-Sprecher Janusz Kasprowicz.
Die Großreederei Maerks legt erstmals mit Hochseefracht in Gdansk an. Foto: S. Becker
Die Reedereien hatten bisher Fracht aus Übersee immer nur über den Umweg über die westlichen Häfen wie Bremerhaven und Rotterdam in die Ostsee transportiert. Internationale Branchenexperten hielten die direkte Route in die Ostsee über das dänische Aarhus und das schwedische Göteborg für unrentabel. Reedereien müssten hier fünf zusätzliche Reisetage einkalkulieren. Doch wegen der geringen Auslastung durch die Finanzkrise haben die Reedereien nun genügend freie Kapazitäten, um zusätzliche Schiffe bereit zu stellen.
Polnische Fachleute hingegen gehen davon aus, dass der Bedarf für Hochsee-Container in Polen auch langfristig so groß werden wird, dass es sich für die Reedereien lohnt, die zusätzlichen Kosten für den Umweg auf sich zu nehmen. Ihren Berechnungen zufolge werden in Polen immer mehr Waren mit Containern verladen. Zusätzlich werde dieser Bedarf durch das robuste Wirtschaftswachstum des Landes vergrößert. Im Juni 2007 hatte Danzig sein erstes Hochsee-Terminal in Betrieb genommen. Die Ziele sind ehrgeizig: Die Polen wollen ihre Kapazitäten insgesamt auf zwei Millionen TEU vervierfachen.
Der direkte Konkurrent aus Deutschland, Bremerhaven, an dem ebenfalls Hochseefracht verschifft wird, gibt sich angesichts der neuen Konkurrenz im Osten betont bedeckt. „Sicher ist das ein neuer Wettbewerber, doch das beobachten wir gelassen“, unterstreicht der Sprecher des Ports in Bremerhaven, Rüdiger Staats. Auch sein Hafen konnte die Container-Zahlen 2010 steigern, allerdings im Vergleich zum Vorjahr nur um neun Prozent. Mit fünf Millionen TEU ist das Gesamtvolumen jedoch immer noch um ein zehnfaches höher als in Danzig. „Unser Angebot ist einfach besser“, meint Staats.
Die Kaianlagen, die im Einzugsgebiet von Bremerhaven liegen, gehören zu den größten in Europa, sagt Staats. Hier legen auch Schiffe mit einer größeren Kapazität an, die gar nicht in die Ostsee fahren. „Darüber hinaus gibt es hier n weitere Entwicklungsmöglichkeiten, wenn 2012 wie geplant in Wilhelmshaven der Jade-Weser-Port eröffnet wird.“ Eine bedeutende Verlagerung der Aufträge aus der Region in die Ostsee sei deswegen kaum wahrscheinlich. „Wir sehen unsere wichtigen Konkurrenten eher in Rotterdam und Antwerpen“, so Staats.
„Grundsätzlich ist die Strategie Danzigs, direkt Aufträge aus Übersee anzunehmen, interessant und hat eine Chance, sich langfristig durchzusetzen“, sagt dagegen der Vertreter des
Hamburger Hafens in Polen, Maciej Brzozowski. Auch Brzozowski beobachtet
die Entwicklung ziemlich genau, auch wenn sein Port davon weniger
betroffen ist, weil Maersk die Ostsee-Region bisher über Rotterdam und
Bremerhaven und nicht via Hamburg bedient.
Allerdings gibt es seiner Einschätzung nach für Danzig auch Risiken. Dazu gehört unter anderem der Bau des Jade-Weser-Ports in Wilhelmshaven. Möglicherweise würde Maersk dann diesen Hafen anlaufen und die Polen dann wieder weniger Aufträge erhalten. „Erst in ein bis zwei Jahren dürfte man erkennen, ob sich die neue Hochsee-Strategie durchsetzen wird“, erklärt Brzozowski.
Sebastian Becker
ENDE
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