Belarus

"Man kann mit Lukaschenko nicht verhandeln" / Interview mit Oppositionspolitiker Jaroslaw Romantschuk

Bei den Präsidentschaftswahlen 2010 kandidierte Roman Romantschuk gegen Alexander Lukaschenko. Im Interview fordert er die Europäische Union zu harten Sanktionen gegen das Regime auf. Dem autoritär regierenden Präsidenten Alexander Lukaschenko gehe es einzig um den Machterhalt. Man könne mit ihm nicht verhandeln.

ostpol: Ihre Kollegen Wladimir Nekljajew und Andrej Sannikow, die ebenso wie Sie als Präsidentschaftskandidaten angetreten waren, sitzen im Gefängnis. Die Proteste wurden niedergeschlagen, die Stimmung ist deprimierend. Was werden Sie jetzt tun?

Jaroslaw Romantschuk: Jetzt geht es darum, der Welt zu zeigen, was in Belarus passiert. Die Menschen und Politiker im Westen müssen begreifen, dass wir es mit einer Diktatur zu tun haben - und das mitten in Europa. Die Europäische Union darf jetzt keine Beschwichtigungspolitik gegenüber Lukaschenko betreiben.

Heißt das, dass Sie für EU-Sanktionen sind?

Romantschuk: Das kommt darauf an. Ich bin gegen Wirtschaftssanktionen, denn diese treffen nur unschuldige Menschen. Sanktionen gegen Vertreter der Regierung halte ich für besser. Die Europäische Union könnte zum Beispiel Einreiseverbote für Lukaschenko und seine Gefolgsleute verhängen.

Wie sollte die Europäische Union darüber hinaus auf die Situation in Belarus reagieren?

Romantschuk: Die EU sollte Druck auf die belarussische Regierung ausüben. Die Inhaftierten müssen freigelassen werden, die Verfolgung der Opposition muss aufhören. Ich wünsche mir, dass die EU auf die Regierung einwirkt, damit diese in den Dialog mit der Opposition tritt. Außerdem könnten die Europäer zum Beispiel den Fernsehsender Belsat besser unterstützen, der von Polen aus unabhängig über Belarus berichtet.

Sie wurden nach der Wahl von anderen Oppositionellen scharf angegriffen . Sie hatten erklärt, dass Sie die Proteste am Wahlabend verurteilen.

Romantschuk: Ich wurde enorm unter Druck gesetzt. Die Erklärung bezog sich nicht auf die Proteste, sondern auf die gewalttätigen Ausschreitungen. Unser Parteivorsitzender Anatoli Lebedko sitzt im Gefängnis, ebenso wie viele meiner Freunde und Mitstreiter. Ich weiß nicht, wann sie freikommen. Das ist eine Kollektivstrafe.

Die Polizei sagt, dass Demonstranten am Wahlabend versucht hätten, gewaltsam in das Haus der Regierung einzudringen.


Romantschuk: Es ist allgemein bekannt, dass es sich nicht um Demonstranten, sondern um Provokateure der Sicherheitsdienste gehandelt hat. Die Ausschreitungen wurden den Demonstranten angelastet und zum Anlass genommen, um gegen die Proteste vorzugehen. Alles war ganz genau geplant.

hre Kritiker sagen, dass Sie von Russland finanziert werden, weil Lukaschenko auch dem eigentlichen verbündeten Moskau mittlerweile ein Dorn im Auge ist.


Romantschuk: Weder unsere Partei noch ich haben jemals Geld aus Russland erhalten. Das sind Behauptungen, die dazu dienen, uns zu diskreditieren. Wir haben lediglich zu der liberalen russischen Partei „Pravoe Delo“ Kontakt.

Im vergangenen Jahr hat Lukaschenko die Nähe zur EU gesucht, hat politische Gefangene freigelassen und die Zügel gelockert. Im Gegenzug wurde Belarus Mitglied der „Östlichen Partnerschaft“ der Europäischen Union. Den Kreml hatte Lukaschenko brüskiert, weil er außenpolitisch nicht auf der Seite Moskaus stand. Nun die Kehrtwende. Was will Lukaschenko eigentlich?

Romantschuk: Er will mit allen Mitteln seine Macht erhalten. Ihm ging es niemals darum, das Land zu demokratisieren. Er spielt mit der Europäischen Union genauso wie mit Moskau. Man kann mit Lukaschenko nicht verhandeln.

Vor den Wahlen hat Lukaschenko mit Russland über verschiedene Wirtschaftsvereinbarungen gesprochen. Rückt Lukaschenko jetzt wieder näher an den Kreml?

Romantschuk: Russland will Belarus wirtschaftlich an sich binden. Ich glaube aber nicht, dass Lukaschenko bereit sein wird, Macht an Russland abzugeben. Dass Lukaschenko mit Moskau verhandelt, ist pures Kalkül. Allerdings betrachtet auch der Kreml Lukaschenko mit Argwohn.
 


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