Ungarn

Big Viktor is watching you

Es ist ein kalter Winterabend, aber nicht nur wegen der Temperaturen ist den etwa 150 Demonstranten vor dem Gebäude des Ungarischen Rundfunks in Budapest klamm zumute. Kurz vor der für Freitag (7.1.) geplanten Krisensitzung der EU-Kommission und der ungarischen Regierung protestieren sie erneut gegen das umstrittene Mediengesetz. Viele der versammelten Journalisten und Medienleute haben Kerzen mitgebracht. Unter ihnen ist auch die pensionierte Journalistin Flora Fencsik. „Ich bin hier, weil der Frühmoderator des staatlichen Kossuth-Radios und sein Redakteur geschasst wurden“, erklärt sie. Der Moderator Attila Monk und sein Redakteur Zsolt Bogar hatten mit einer Schweigeminute in ihrer Sendung reagiert, als das ungarische Parlament im Dezember 2010 das neue Mediengesetz beschlossen hatte. Die Dame ereifert sich: „Ich will nicht, dass diese Leute entfernt werden. Das wäre ein schrecklicher Präzedenzfall.“

Instrument zum Machterhalt

Das am 1. Januar in Kraft getretene Gesetz beschränkt die Medienfreiheit in Ungarn: Eine Medienbehörde hat künftig die Kontrolle über private Fernseh- und Radiosender, Zeitungen und Onlineportale. Sieht das Aufsichtsamt einen Bericht als fehlerhaft an, so können hohe Strafen verhängt werden.

Auch der Österreicher Journalist Gregor Mayer, der seit vielen Jahren als Korrespondent aus Budapest berichtet, ist an diesem Abend gekommen. „Aus Betroffenheit“, wie er sagt. Er sieht in dem Mediengesetz vor allem eins: Ein Instrument zum langfristigen Machterhalt des konservativen Ministerpräsidenten Viktor Orban. „Oppositionsparteien sollen nie wieder in die Lage kommen, Wahlen gewinnen zu können“, meint der Journalist. Das Mediengesetz sei dafür ein geeignetes Instrument. Immer mehr demokratische Institutionen würden eliminiert. „Ungarn steuert in keine gute Richtung“, so Mayer.

Ungarn spielt mit Glaubwürdigkeit

Der Filmemacher Jozsef Böjte rückt seinen breitkrempigen Hut zurecht, dann sagt er: „Dieser Orban will größer sein, als er ist. Der muss auf seinen Platz verwiesen werden.“ Aber von wem? „Wir sind stark“, meint er, „und mit Hilfe europäischer Partner muss diese Willkür beendet werden.“

Am kommenden Freitag soll das Mediengesetz Thema auf einer gemeinsamen Sitzung von EU-Kommission und ungarischer Regierung in Budapest sein. „Bitte erst lesen“ – das ist die Reaktion von Regierungsseite auf Kritik aus dem Ausland, „dann urteilen.“ Sie hat den EU-Regierungen nun englische Übersetzungen und Zusammenfassungen des Gesetzestextes zukommen lassen.

Den Staatsminister im Auswärtigen Amt in Berlin, Werner Hoyer, hat die Lektüre alles andere als beruhigt. Die Befürchtungen würden eher übertroffen, sagte er in einem Interview mit der Nachrichtenagentur dpa. „Ungarn ist nicht der glaubwürdigste Gesprächspartner, wenn es um Fragen der Pressefreiheit geht“, so Hoyer.

Regierung sieht keinen Änderungsgrund

Die ungarische Regierung verteidigte ungeachtet der Proteste das Gesetz. Es gebe „keine Notwendigkeit, ein ungarisches Gesetz nur wegen Kritik aus dem Ausland zu ändern“, sagte der für Kommunikation zuständige Budapester Staatssekretär Zoltan Kovacs im ungarischen Rundfunk. Außenminister Janos Martonyi ließ im Budapester Inforadio allerdings erstmals die Möglichkeit einer Gesetzesänderung durchscheinen. „Sollte es wirklich ernste Probleme mit diesem Gesetz geben“, so der Außenpolitiker, „dann kann man die auf verschiedene Weise beheben. Man kann es ändern oder ergänzen oder besser erklären.“


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