Prominente Journalistin in Haft
Irina Chalip berichtete dem russischen Radio-Sender Echo Moskwy gerade live vom brutalen Vorgehen der Polizei gegen Demonstranten, als sie plötzlich selbst abgeführt wurde. „Mich schlägt die Polizei“, konnte sie noch ins Mikrofon sagen, bevor die Verbindung abbrach. Seither fehlt der Kontakt zu ihr, nach Angaben lokaler Medien wird sie ein einer Minsker Polizeistation festgehalten.
Chalips Mann, Andrej Sannikau, war einer der Oppositionskandidaten, der Alexander Lukaschenko bei den Präsidentenwahlen herausgefordert hatte. Sie werfen dem Präsidenten, den die Wahlleitung mit fast 80 Prozent der Stimmen abermals zum Sieger erklärte, Wahlfälschung vor. Zwischen 20.000 und 40.000 Regimegegner versammelten sich am Sonntagabend in Minsk, um gegen Lukaschenko zu protestieren. Als Sicherheitskräfte die Demonstration gewaltsam auflösten, wurden zahlreiche Journalisten verletzt.
Irina Chalip begann ihre Karriere als Journalistin noch zu Sowjetzeiten. Mitte der 90er Jahre arbeitete sie für die Zeitung „Sowjetskaja Belarus“, heute das offizielle Staatsorgan, später für das unabhängige Handelsblatt „Belarusskaja Delowaja Gaseta“. Seit 2000 schreibt sie als belarussische Korrespondentin für die regierungskritische russische Zeitung „Nowaja Gaseta“. Chalip schreibt vor allem über das Thema Menschen- und Bürgerrechte und geriet nicht zum ersten Mal ins Visier der Staatsmacht. Mehrere Male hat die Polizei sie bereits festgenommen, verhört, ihren Computer und ihre Wohnung durchsucht.
Für ihren Einsatz für die Pressefreiheit wurde Irina Chalip mit zahlreichen Preisen ausgezeichnet, unter anderem 2005 mit dem Henri-Nannen-Preis. Anlässlich einer Preisverleihung sagte die 43-Jährige im vergangenen Jahr, dass sie nicht aufhören könne über Bürger- und Menschenrechte zu berichten.
Auch im Wahlkampf ihres Ehemannes Andrej Sannikau war sie ausgesprochen präsent. Sannikaus Partei „Europäisches Belarus“ ist eng mit der belarussischen Menschenrechtsorganisation Charter 97 verbunden. Deren Internetseite ist eine wichtige Informationsquelle für Regimegegner. Sannikaus medialer Wahlkampf lief zu großen Teilen über diese Plattform, für die auch Irina Chalip schreibt.
Die 43-Jährige ist Mitglied in der belarussischen Vereinigung unabhängiger Journalisten, die sich für Bürgerrechte und Meinungsfreiheit in Belarus einsetzt. Deren stellvertretender Vorsitzender Andrej Bastunjets kritisierte das Vorgehen der belarussischen Polizei bei den Demonstrationen nach den Präsidentenwahlen scharf. „Nach unseren Informationen wurden 20 Journalisten festgenommen und weitere 20 erlitten Verletzungen, darunter auch internationale Medienvertreter.“ Am Montag sei die Wohnung des Ehepaares durchsucht worden, Irina Chalips 3-jähriger Sohn befinde sich in der Obhut seiner Großeltern.