Schwarzgeld für neue Anzüge
Die „Causa Sanander“ schlägt derzeit hohe Wellen in Kroatien: In der Regierung seien „große Veränderungen zu erwarten“, schreibt die Zagreber Tageszeitung „Jutarnji list“ unter Berufung auf einen namentlich nicht genannten Parlamentarier. Das Blatt führt gleich vier bis sechs mögliche Minister auf, die ihren Sessel in den kommenden Tagen räumen könnten, darunter auch Kulturminister Božo Biskupić, der dem verhafteten Ex-Ministerpräsidenten Ivo Sanander nahe stand. Regierungschefin Jadranka Kosor müsse nun reagieren, so die Forderung von Medien und Opposition.
Während sich die Spekulationen über eine Umstrukturierung des Kabinetts überschlagen, reagierte auch Staatspräsident Ivo Josipović: Kroatien befinde sich nicht im Ausnahmezustand, lediglich in einem empfindlichen Augenblick seiner Geschichte, sagte Josipović laut Onlineportal „seebiz.eu“. Die ganze Sache sei nicht nur ihm persönlich peinlich gegenüber dem Ausland, sie schade zudem der kroatischen politischen Szene und der Regierungspartei HDZ (Kroatische Demokratische Gemeinschaft). Wichtig sei nun, das Problem ohne Druck von außen zu lösen. „Dann muss man sehen, bei wem man sich entschuldigt und die politische Richtung wechseln“, so Josipović.
Justizminister Dražen Bošnjaković bestätigte unterdessen am Montag gegenüber Journalisten, dass man Österreich die Unterlagen für die Auslieferung noch am selben Tag zukommen lasse. Zu den Vorwürfen, die darin erhoben werden, wollte er jedoch keine genaueren Angaben machen. Die Staatsanwaltschaft hatte zuvor 15 Jahre Haft für Sanander gefordert – die Höchststrafe.
Während Sanader über seinen österreichischen Anwalt mitteilen ließ, dass er alles dazu beitragen werde, die gegen ihn erhobenen Vorwürfe zu klären, tauchte nun weiteres belastendes Material auf: Mindestens 147 Personen der Regierung, darunter auch „hohe Funktionäre der HDZ“ sollen daran beteiligt gewesen sein, Gelder aus öffentlichen Unternehmen abzuzweigen. Das habe der selbst unter Korruptionsvorwürfen stehende Ex-Zollchef Mladen Barišić bereits vor Wochen ausgesagt. Alles deute darauf hin, dass Sanander nicht nur der Kopf eines korrupten Geflechts gewesen sei, sondern der ihn umgebende Personenkreis auch ziemlich umfassend gewesen sein muss, schreibt die Tageszeitung „Jutarnji list“.
Als einer der Schlüsselfälle im Haftbefehl gegen Sanader gilt der Fall „Fimi-Media“, in dem auch Ex-Zollchef Barišić verdächtigt wird. Über das Geld, das die PR-Agentur aus fiktiven Rechnungen eingenommen habe, soll einzig Sanander entschieden haben, so Barišić. Die Mittel seien zur Unterstützung von Medien, Wahlkampagnen, aber auch für die Garderobe einiger Wahlkandidaten geflossen.
Sananders Vermögen bei mehreren Banken, aber auch die Konten seiner Frau und Töchter, wurden gesperrt. Ebenso habe man sämtliche Anteile der Familie an Unternehmen eingefroren, bestätigte ein Sprecher des zuständigen Gerichts in Zagreb. Die Opposition fordert unterdessen, im Eilverfahren ein Gesetz darüber zu verabschieden, dass ein Parlamentarier in Haft nur ein minimales Gehalt erhalten solle, heißt es in einem offenen Brief des Abgeordneten Dragutin Lesar an Regierungschefin Kosor. Justizminister Drazen Bosnjakovic bekräftigte unterdessen bei einer Regierungssitzung am Montag: „Niemand wird illegal erworbenes Vermögen behalten können.“
Neben Sanander steht derzeit auch der Unternehmer Robert Ježić in den Schlagzeilen: Dieser gilt laut „Jutarnji list“ als „Freund und Berater“ des Ex-Ministerpräsidenten und wurde nur wenige Stunden nach Sananders Flucht am Donnerstag verhaftet, um eine 30-tägige U-Haft abzusitzen. Das Pikante an dem Beziehungsgeklüngel: Ježić ist deutscher Honorarkonsul in der kroatischen Küstenstadt Rijeka. Ebenso wie Sanander soll er eine der Schlüsselpersonen im Fall der österreichischen Hypo-Bank gewesen sein. Ježić wird vorgeworfen, für seine Chemieholding Billigstrom vom staatlichen Stromerzeuger HEP erhalten zu haben. Zudem soll ihm ein Kredit über zwei Millionen Euro durch die HEP bereit gestellt und die Rückzahlung mehrfach verschoben worden sein. Das Auswärtige Amt in Berlin prüfe den Fall derzeit, heißt es dort.