Polen

Aus ehemaliger Lenin-Werft wird Hafen-City

Ein Kran steht am Einfahrtstor Nummer Eins der historischen Danziger Werft. Noch vor ein paar Tagen gingen hier die Arbeiter ein und aus, jetzt baut der Kran die Teile der alten Konstruktion ab, das Tor auf dem Gelände wird komplett abgerissen.

Nach Jahren des Niedergangs machen nun Teile der alten Danziger Werft für neue Gebäude Platz, damit der historische Ort wieder eine Zukunft bekommt. Rund 30 Jahre nach den Streiks der Gewerkschaft Solidarnosc stehen die meisten Gebäude leer. Heute arbeiten auf der Werft nur noch 1.900 Menschen, rund 12.000 weniger als vor der Wende.

Das erste Gebäude, das an die Stelle der alten Werkshallen tritt, ist ein Tribut an die bewegte Geschichte der Werft. In einem neuen „Europäischen Solidaritäts-Zentrum“ wird im Rahmen einer Stammausstellung die Geschichte der Gewerkschaft gezeigt. Eine Bibliothek, ein Forschungszentrum sowie Konferenzräume sollen Wissenschaftler aus der ganzen Welt anlocken. Das Gebäude soll bis 2013 stehen.

„Das Zentrum soll ein positives Bild von Polen in Europa und in der Welt schaffen“, erklärt Danzigs Bürgermeister Pawel Adamowicz. Auch der ehemalige Streikführer und Ex-Präsidenten Lech Walesa soll hier ein neues Büro erhalten. Das Solidaritäts-Zentrum wird voraussichtlich 300 000 Millionen Zloty kosten, umgerechnet etwa 76 Millionen Euro. Die Hälfte davon finanziert die Europäische Union, die andere Hälfte bezahlen das polnische Kulturministerium und die Stadt Danzig.

Doch das Solidarnosc-Zentrum ist nur das Kernstück einer größeren Vision für das Gelände der alten Werft. In einigen Jahren soll aus den maroden Werkshallen ein völlig neuer Stadtteil entstehen – eine sogenannte Junge Stadt. Statt auf Schiffe setzt Danzig dann auf Shopping: „Hier wird es Läden, Wohnungen und Bürogebäude geben“, schwärmt Bürgermeister Adamowicz. Das größte Einkaufszentrum Nordpolens und ein 3D-IMAX-Kino sind hier geplant. Danzig soll mit Bürogebäuden und Wohnanlagen von rund 100 Metern Höhe sogar eine Skyline erhalten.

Ob die hochtrabenden Pläne allerdings Wirklichkeit werden, ist noch unklar. Sie liegen in den Schubladen des dänischen Investors BPTO, der 2006 einen Großteil des Werftgeländes aufkaufte. „Wir suchen immer noch nach Partnern, die unsere Vision der Jungen Stadt teilen. Das erfordert natürlich viel Zeit und Geld“, schränkt der Vorsitzende von BPTO, Ole Christian Vad, ein.

Doch auch der Bau des Solidaritätszentrums verläuft nicht reibungslos. Die Gewerkschaft Solidarnosc ist mit dem Neubau nur bedingt einverstanden und hat bereits eigene Wünsche angemeldet. Zwar plant BPTO zusätzlich zum Zentrum einen Solidarnosc-Platz und eine Promenade der Freiheit in der Jungen Stadt. Nach Meinung von Karol Guzikiewicz, dem stellvertretenden Chef der Betriebssolidarnosc gehört auf das Gelände aber vor allem eine Kirche. „Wir brauchen ein Gotteshaus, in dem wir die Festtage zelebrieren können“, sagt der Funktionär. Stattdessen wird es aber nur einen ökumenischen Raum in dem Zentrum geben, der nach dem polnischen Papst Johannes Paul II benannt wird.

Auch die Künstler, die seit Jahren die alten Werkshallen nutzen, protestierten gegen den Umbau und die geplante Kommerzialisierung des Geländes. Bereits 2007 mussten sie ihre angestammten Räume verlassen, weil BPTO in der alten Telefonzentrale der Werft ein Bürogebäude einrichtete. Heute sind die Künstler in der ehemaligen Direktion untergebracht. Zwar hat der Investor ihnen zugesichert, sie bei ihrer Arbeit zu berücksichtigen. Doch die Künstler haben Angst um ihre Existenz.

„Wir befürchten, dass die Junge Stadt eine kalte Büroanlage und ein Bezirk nur für die Reichen wird“, sagt Aneta Szylak vom Kunstinstitut „Die Insel“. „Das wäre ein Drama und ein schreckliches Ende für diesen historischen Ort, der eine so tragende Rolle gespielt hat“. Nach Meinung der Künstlerin sollte das Stadtviertel für alle sozialen Schichten zugänglich sein.

Doch die Danziger Regierung sieht in dem Projekt mehr Vor- als Nachteile. „Allein der Ruf des Solidarnosc-Museums wird weit über die Stadt hinausreichen“, ist Bürgermeister Pawel Adamowicz überzeugt. Die Junge Stadt soll ein Wahrzeichen Danzigs werden und noch mehr Touristen nach Nordpolen locken, wünscht sich das Stadtoberhaupt. „Liverpool hat die Beatels, Dublin hat The Joys und Danzig hat die Solidarnosc und Lech Walesa“.


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