Landwirtschaft am Boden
Kein schlechter Empfang für einen Kriegsverbrecher nach zehn Jahren Knast: Rund 3.000 Bosnier waren am Freitag in 43 Bussen ins kroatische Pula gekommen, um ihren Helden zu feiern – den freigelassenen Kriegsfürsten und Agrarunternehmer Fikret Abdic. Die Menschen tanzten und skandierten: „In Kladusa brauchen wir den Deutschen nicht mehr, jetzt kommt der Fikret Abdic, Babo“, was sich auf Serbokroatisch schön reimt. Mit „dem Deutschen“ ist der große Unternehmer gemeint, der Retter, auf den die Menschen seit dem Bosnienkrieg vergeblich warten. „Babo“ Abdic – der „Vater“ Abdic – hatte schon aus dem Gefängnis heraus versprochen, seinen Konzern Agrokomerc wiederbeleben zu wollen.
„Wir werden den Kampf gegen Elend und Armut gewinnen. Unser Ziel ist, dass Agrokomerc aus der Asche aufersteht, besser als je zuvor“, rief er seinen Anhängern zu. Für Agrokomerc arbeiteten zu den besten Zeiten vor dem Bosnienkrieg nicht nur 13.000 Angestellte, sondern auch rund 7.000 so genannte Kooperanten. Das waren Zulieferer, deren Früchte und Tiere Agrokomerc weiter verarbeitete und vermarktete. Die Region im Nordwesten Bosniens erlebte Ende der 80er Jahre dank Abdics unternehmerischer Energie einen gewaltigen Aufschwung, bis alles in einen großen Finanzskandal zusammen brach. Im Bosnienkrieg wurde Abdic zum lokalen Kriegsfürsten und saß dafür seit 2001 wegen Kriegsverbrechen im Gefängnis.
Der Kontrast zur heutigen Lage könnte kaum größer sein. Die Landwirtschaft in Bosnien liegt auch 16 Jahre nach Kriegsende darnieder. Nur rund die Hälfte der Ackerflächen wird bewirtschaftet, die andere Hälfte liegt brach. Der wichtigste Grund dafür ist, dass die Agrarkonzerne aus der jugoslawischen Vorkriegszeit verschwunden sind. Die Landwirte haben meist nur kleine Flächen und können ohne große Verarbeiter dem Wettbewerb aus dem Ausland nicht standhalten. In den Supermärkten und den Straßenmärkten finden sich daher meist ausländische Lebensmittel. Mit Getreide konnte sich Bosnien vor dem Krieg zu 74 Prozent selbst versorgen, heute liegt die Quote nur noch bei 14 Prozent.
Nun ist die Landwirtschaft auch noch von der Schneekatastrophe des Winters heftig betroffen. Vor allem im Süden Bosniens sind die Gewächshäuser der Landwirte zum größten Teil zerstört. Auch beheizte Glashäuser wurden von den Schneemassen und dem darauf folgenden Sturm im Februar erdrückt.
Einer von vielen Betroffenen ist Adnan Sablic in Buna, einem kleinen Ort südlich von Mostar. Sein 2007 für rund 230.000 Euro errichtetes Glashaus mit über 4.000 Quadratmeter Fläche gleicht einem Schlachtfeld. Arbeiter schweißen die Stahlträger auseinander, um sie zu verschrotten. „Das heißt zwei, drei Monate Aufräumarbeit“, sagt Sablic. „Seit 80 Jahren hat es eine solche Naturkatastrophe nicht gegeben. Nicht einmal der Krieg hat solche Zerstörungen angerichtet.“
Versichert ist er nur zur Hälfte. Insgesamt belaufen sich die Schäden durch den Extremwinter, in dem in einer Nacht ein Meter Schnee gefallen und der Strom mehrere Tage lang ausgefallen war, in der bosnischen Landwirtschaft nach ersten Schätzungen auf 75 Millionen Euro. Tomaten, Mangold und Salat werden dieses und wohl auch kommendes Jahr zum großen Teil importiert werden. Ein weiterer Rückschlag für Bosniens Landwirtschaft.