Polen

Gemeinsam gegen die Kohle

Andrzej Bilinski, Vorsitzender der polnischen Initiative „Nein zum Tagebau“, sagt, er lasse sich nicht belügen. Sein Heimatdorf Strzegow grenz über die Neiße an den Rand des Tagebaus Jänschwalde. Die Maschinen bohren in einigen Hundert Metern Entfernung, die Anwohner hören das Brummen rund um die Uhr. „Seit Jahren kann ich beobachten, welche Schäden die Tagebaue auf der deutschen und auf der polnischen Seite anrichten“, klagt Bilinski. Das Nachbardorf Horno befand sich bis vor fünf Jahren da, wo jetzt die Bagger arbeiten und der Ostwind Staubwolken aufwirbelt, sich mit dem Qualm vom Kraftwerk vermischt und ins Umland bläst. Wegen der Entwässerung im Tagebau fehlt es in Strzegow an Wasser.


Strzegow mit einer Mauer-Aufschrift gegen den Tagebau / Marcin Rogozinski, n-ost

Bilinskis Anti-Tagebau-Initiative hat für die bevorstehenden Kommunalwahlen am 21. November eigene Kandidaten fürs Bürgermeisteramt und den Gemeinderat aufgestellt. Sie sollen den größten polnischen Energie-Konzern PGE stoppen. Das Unternehmen will in absehbarer Zukunft in der polnischen Niederlausitz Braunkohle fördern und ein Kraftwerk einrichten. Mehr als ein Dutzend Dörfer müssen dem Tagebau weichen, darunter auch Strzegow. Der amtierende Gemeindevorsteher von Gubin, Edward Aksamitowski, unterstützt dieses Vorhaben. Doch er hat Gegner: Nach dem Willen von Bilinskis Initiative „Nein zum Tagebau“ soll der Bürgermeister abgewählt und vom Tagebaugegner Zbigniew Barski, Informatiklehrer an einer Berufsschule in Gubin, ersetzt werden. „Ich werde dieses Projekt blockieren“, beteuert Barski. Er kann auf breite Unterstützung setzen: In einem vor einem Jahr organisierten Volksentscheid lehnten zwei Drittel der Beteiligten das Projekt ab.


Zbigniew Barski, Bürgermeisterkandidat und Aktivist / Marcin Rogozinski, n-ost

Der bisherige Bürgermeister Edward Aksamitowski erkannte das Ergebnis des Volksbegehrens nicht an und ist nach wie vor – wie auch Konzernvertreter und Politiker aus der Region – überzeugt davon, dass die Kohle eine Chance für den wirtschaftlich unterwickelten Landkreis ist. Sein Argument: Die Investition werde tausend neue Arbeitsplätze schaffen. Die Umsiedler bekämen für ihre alten Häuser hohe Entschädigungen, und die verarmten Gemeinden würden von Steuereinnahmen in Millionenhöhe profitieren. „Wir glauben ihnen kein Wort“, antwortet Barski. „Der benachbarte Landkreis Spree-Neiße gehört zu den ärmsten Gebieten in ganz Deutschland. Im Tagebau sind hochqualifizierte Fachkräfte gefragt. Für die breite Bevölkerung schafft er langfristig keine Beschäftigung“.

Thomas Burchardt aus Forst in der Niederlausitz bestätigt diese Meinung. Er ist Sprecher der Bürgerinitiative „Klinger Runde - Netzwerk für den Erhalt der Heimat“. In der Gruppe tun sich Bürgermeister und Aktivisten aus den zur Abbaggerung bestimmten Orte Grabko, Kerkwitz und Atterwasch zusammen. Vor zwei Jahren las Burchardt über die Protestaktionen in den polnischen Nachbargemeinden Brody und Gubin. Er knüpfte Kontakt mit Dorota Schewior aus dem Ort Wielotow. Die Spargelbäuerin dolmetscht seit dem bei den Treffen der Kohle-Gegner. Als Sorbe fällt Burchardt die Verständigung mit den polnischen Nachbarn aber ohnehin nicht schwer.


Thomas Burchardt, Sprecher der Bürgerinitiative „Klinger Runde - Netzwerk für den Erhalt der Heimat“ / Marcin Rogozinski, n-ost

Berührungsängste spielten bei der Kontaktaufnahme keine Rolle. „Der Kampf gegen die Kohle kennt keine Grenzen“, sagt Burchardt. Schwerpunkt der Zusammenarbeit sind gemeinsame Protestaktionen und der Erfahrungsaustausch. Am vergangenen Samstag pflanzten die Tagebaugegner gemeinsam Bäume gegen die CCS-Technologie, mit deren Hilfe klimaschädliches Kohlendioxid in die Erde gepumpt werden soll. Vor einem Jahr bildeten sie eine Lichtekette entlang einer alten Fußgängerbrücke über die Neiße, zum Klimagipfel in Kopenhagen unterzeichneten sie eine Petition.


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