Warschauer Börsengang
Polen hat die politisch wichtige Privatisierung der staatlichen Warschauer Börse (GPW) abgeschlossen. Die Aktie des Handelsplatzes wurde in dieser Woche erstmalig in der polnischen Hauptstadt gehandelt – dem größten Finanzplatz in Ostmitteleuropa. Dabei machte die Aktie schon am ersten Tag einen gewaltigen Sprung. Am Ende des Handelstages hatte sich der Kurs gegenüber dem Ausgabepreis um fast 26 Prozent auf 54 Zloty (etwa 13,50 Euro) erhöht.
„Die Börse ist ein Symbol der Freiheit und des wirtschaftlichen Stolzes“, sagte Premierminister Donald Tusk kurz vor der ersten Glocke und eröffnete feierlich die mit Spannung erwartete Sitzung. Er hatte die Privatisierung staatlicher Unternehmen und insbesondere den Verkauf der GPW bereits bei seinem Amtsantritt vor drei Jahren zu den wichtigsten Aufgaben seiner Regierung erklärt. Für Tusk ist dieser Börsengang eine Art Meilenstein bei der Privatisierung staatlicher Unternehmen. Sie hatte vor 20 Jahren nach der politischen Wende begonnen.
Tatsächlich hat sich Polen seit der Gründung der GPW einiges verändert: 1991 befanden sich gerade einmal fünf Aktien auf dem Kurszettel im Warschauer „Bank- und Finanzentrum“ – dem alten Sitz der Börse. Die Polen hatten auf die Schnelle den damaligen Hauptsitz der kommunistischen Partei zum Handelsplatz umfunktioniert. Dabei wussten viele nicht einmal genau, wie eine Börse funktioniert. Deswegen war die GPW für sie in erster Linie ein Symbol für freie Wirtschaft und Demokratie, ohne dass man dabei an lukrative Aktienrenditen dachte.
Jetzt – eine Generation später – sieht es in Polen anders aus. Die Warschauer Börse befindet sich an einem neuen modernen Hauptsitz und gehört mit einer Marktkapitalisierung von 205 Milliarden Euro und insgesamt 393 Aktien zu den stärksten der Region. Darüber hinaus avancierte die GPW im laufenden Jahr mit bisher mehr als 20 Börsengängen zu den aktivsten des gesamten Kontinents. „Unser Handelsplatz verzeichnet ein ungewöhnliches Wachstum, das eines der stärksten in Europa ist“, erklärte der Chef des Handelsplatzes, Ludwik Sobolewski, vor laufenden Kameras mit viel Selbstbewusstsein. Dabei gehört diese Aktienemission mit einem Gesamtvolumen von 1,2 Milliarden Zloty (306 Millionen Euro) zu den größten in Polen im laufenden Jahr.
Der Versuch, die GPW an einen Brancheninvestor zu verkaufen, war Anfang des Jahres gescheitert. Auch die Deutsche Börse hatte sich dafür interessiert. Nun bot das Land privaten und institutionellen Investoren insgesamt 64 Prozent der Aktien an. Der Staat wird aber auf der Hauptversammlung weiterhin das wichtigste Stimmrecht haben. 30 Prozent der angebotenen Aktien erhielten private polnische Anleger. Die restlichen 70 Prozent teilten einheimische und internationale institutionelle Aktionäre unter sich auf. Darunter waren auch große Investmentgesellschaften. Der Emissionspreis lag für sie bei 46 Zloty (ca. 11,50 Euro) pro Aktie – die privaten Anleger mussten 43 Zloty (ca. 10,75 Euro) zahlen.
Der Markt nahm den Kurssprung mit Überraschung auf. „Die Aktie ist sehr teuer bewertet“, sagte Analyst Piotr Wiśniewski vom Investmenthaus PKO OFE. Titel wie die GPW werden seiner Ansicht nach mit einer Art Prämienaufschlag behandelt, der auf Unternehmen erhoben wird, die sich dynamisch entwickeln. „Die Warschauer Börse wird sich wahrscheinlich auch in den kommenden Jahren ähnlich entwickeln. Der Analyst erwartet steigendes Interesse ausländischer Unternehmen an der GPW. „Sie erhoffen sich in Warschau eine größere Liquidität als an anderen Finanzplätzen der Welt.“