Bürokratie schreckt ausländische Investoren ab
Polen will endlich seine exzessive Bürokratie in den Griff bekommen. „Mitte Oktober werden wir einen Gesetzesentwurf vorlegen, der einen Abbau der bürokratischen Belastungen für Firmen und Privatpersonen vorsieht“, kündigte Premier Donald Tusk kürzlich an.
Damit reagiert die Regierung auf den steigenden Unmut von Unternehmen und Fachleuten, die schon seit Jahren die ausufernde Bürokratie in Polen beklagen. Viele ärgert, dass die Regierung immer wieder erklärt hat, das Problem zu lösen, stattdessen aber die Zahl der Staatsdiener sogar noch erhöht hat.
430.000 Beamte und Angestellte arbeiten im öffentlichen Dienst, zehnmal so viele wie zu kommunistischen Zeiten. Damit zählt Polen zu den Ländern mit der ausufernsten Bürokratie in der Europäischen Union. Allein im vergangenen Jahr wurde die Verwaltung um 50.000 Mitarbeiter aufgestockt. „Die Verwendung der EU-Mittel verlangt viel Zusatzarbeit“, begründete die Regierung. Doch Kritiker vermuten, dass sie nur neue Posten für ihre Klientel geschaffen hat.
Mehrfache überflüssige Bearbeitung von Dokumenten, unkoordinierte und chaotisch wirkende Behörden und ein herablassender Ton der Beamten wirkten auf westliche Investoren abschreckend und hemmten die Entwicklung der einheimischen Wirtschaft, so die Vorwürfe.
„Ein großes Problem für die Unternehmen ist, dass sich ständig das Recht ändert“, beklagt Lech Pilawski von der privaten Unternehmer-Vereinigung PKPP Lewiatan. Allein im vergangenen Jahr hat der Staat 200 Gesetze und 1.500 Vorschriften erlassen, die die Wirtschaft betreffen. „Wer soll denn da noch den Überblick behalten?“, ärgert er sich.
Ausländische Investoren beklagen die Kosten, die mit der Anmeldung und Registrierung einer Firma einhergehen. „Die administrativen Kosten für den Betrieb eines Unternehmens sind einfach zu hoch“, mahnt Roman Rewald, Präsident der Polnisch-Amerikanischen Handelskammer. Wenn diese Kosten nur um 20 Prozent sinken würden, dann würde der Gewinn der in Polen ansässigen Firmen pro Jahr um 13 Milliarden Zloty (3,25 Milliarden Euro) steigen. Weniger Bürokratie würde auch dem Staat nützen, meint der US-Amerikaner: „Wegen der hohen Ausgaben für die Verwaltung gehen dem Staat pro Jahr Steuereinnahmen von zwei Milliarden Zloty (250 Millionen Euro) verloren“, schätzt Rewald.
Von den bürokratischen Querelen sind auch österreichische Unternehmen betroffen. „Der Verwaltungsaufwand kann auch für unsere Firmen zum Problem werden“, sagt der Handelsdelegierte für Polen in der Warschauer Botschaft, Ernst Kopp. Denn Polen ist für österreichische Firmen eine wichtige Adresse. Ihre Tochtergesellschaften beschäftigen dort weit mehr als 20.000 polnische Mitarbeiter. Das sind zwar bei weitem nicht so viele wie in Tschechien oder Ungarn, doch immerhin ist dies eine spürbare Größe. Darüber hinaus betreibt Österreich mehr Außenhandel mit Polen als mit manchem westlichen EU-Mitglied. Die Verwaltungsprobleme sind demnach auch für die Österreicher von Interesse.
„Man darf aber nicht vergessen, dass sich das Land noch entwickelt“, lenkt Kopp ein. Eine moderne Bürokratie gebe es in Polen erst seit zehn Jahren. „Darüber hinaus fehlen fachkompetente Angestellte, weil die am besten ausgebildeten Mitarbeiter wegen der höheren Gehälter in die Privatwirtschaft wechseln“, erklärt der Handelsdelegierte. Die guten Fachkräfte benutzten die Verwaltung manchmal nur als Karriere-Sprungbrett.
„Ein Österreicher ohne Sprachkenntnisse sollte immer einen Einheimischen zu den Behörden mitnehmen, weil er das alleine nicht bewältigen kann“, rät Kopp. Der Handelsdelegierte bleibt dabei sehr gelassen, auch wenn sich bei vielen Kollegen der aufgestaute Frust oft in lautstarkem Ärger bemerkbar macht. „Ich war vorher drei Jahre in Russland – und verglichen mit den Moskauer Ämtern sind die Probleme hier gering.“