Russenpartei wird zweitstärkste Kraft bei Parlamentswahlen
Das Parteienbündnis „Einheit“ von Lettlands Regierungschef Valdis Dombrovskis ist als stärkste Kraft aus den Parlamentswahlen am Samstag hervorgegangen. Trotzdem trat in Riga ein zwar sichtlich erleichterter, aber auch nicht allzu freudestrahlender Premierminister vor die Kameras. „Dieser Sieg bietet keinen Anlass zur Euphorie, sondern bedeutet für uns eine große Verantwortung“, sagte Dombrovskis beim Empfang seines Bündnisses im Rigaer Hotel „Elizabete“.
Auch bei seinen Parteifreunden hält sich die Jubelstimmung in Grenzen. Das Bündnis hat rund 31 Prozent der Stimmen erhalten. Das ist eine beachtliche Leistung: Dombrovskis hatte seit vergangenem Jahr einen unpopulären Sparkurs gefahren, um einen Staatsbankrott zu verhindern. Lettland war von der Wirtschafts- und Finanzkrise 2008 besonders hart getroffen worden. Krankenhäuser wurden geschlossen, Lehrer massenweise entlassen und das Einkommen der Staatsdiener drastisch gekürzt.
Um weiterregieren zu können, wird wie bisher ein Koalitionspartner benötigt. Mit Sorge wird vor allem der Stimmenzuwachs der Partei „Harmoniezentrum“ betrachtet: Diese pflegt gute Beziehungen zu Moskau und wird bevorzugt von Angehörigen der russischen Minderheit gewählt. Umfragen hatten die Partei in den letzten Wochen lange auf Platz eins gesehen, nun ist sie mit knapp 26 Prozent der Stimmen immerhin die Nummer zwei geworden, in Riga und im Osten des Lettlands ist sie sogar stärkste Kraft.
Auf Platz drei folgt die „Union der Grünen und Landwirte“ mit fast 19 Prozent. Mit den grünen Parteien Westeuropas hat diese Gruppierung wenig gemeinsam: Sie lebt vor allem von ihrem schillernden Führer Aivars Lembergs, dem Bürgermeister von Ventspils. Dieser hat aus der westlettischen Hafenstadt eine Art Musterstadt gemacht und genießt daher ein hohes Maß an Popularität, gilt aber auch als Oligarch mit zweifelhaften Geschäftskontakten und geriet bereits mit der Justiz in Konflikt.
Schließlich haben noch der Parteienverband „Für ein gutes Lettland“ und das nationalkonservative Bündnis „Alles für Lettland“ mit jeweils rund 7,5 Prozent der Stimmen den Sprung ins Parlament geschafft. Alle übrigen Parteien sind an der Fünf-Prozent-Hürde gescheitert. Das ist ebenfalls ein Novum, denn noch nie waren so wenig Parteien in der Saeima vertreten.
Die Frage ist, ob das Regieren damit unbedingt einfacher wird. Dombrovskis wollte bereits am Sonntag Gespräche mit seinen bisherigen Bündnispartnern aufnehmen, der Partei von Lembergs und den Nationalkonservativen. Aber – und auch das ist neu – es sollen auch Gespräche mit dem „Harmoniezentrum“ geführt werden. Solvita Aboltina, eine der zentralen Führungspersonen von „Einheit“, sprach geradezu von einer Notwendigkeit: „Wir dürfen den Fehler früherer Regierungen nicht wiederholen und das Parlament in zwei einander bekriegende Lager spalten. Wir können den Erfolg von ‚Harmoniezentrum’ nicht einfach ignorieren“, sagte sie im lettischen Fernsehen. Dies bedeute jedoch nicht zwangsläufig eine große Koalition, vielmehr wolle man den bisherigen Partnern den Vorzug geben.
Offen ist, ob diese sich darauf einlassen: Rechnerisch sind auch Mehrheiten ohne „Einheit“ möglich, wenn sich die anderen Parteien zusammentun. Vertreter der „Union der Grünen und Landwirte“ zeigten sich bereits aufgeschlossen für eine Zusammenarbeit mit dem russlandfreundlichen „Harmoniezentrum“, und im Wahlkampf zog die Partei keineswegs an einem Strang mit „Einheit“. Auf Dombrovskis kommen schwere Verhandlungen zu.