Rumänien

"Nippes in der Vitrine"

In Rumänien ist ein Gesetz verabschiedet worden, mit dem Funktionäre des Ceausescu-Regimes fünf Jahre lang von öffentlichen und politischen Ämtern ausgeschlossen werden. So will das Land mit seiner kommunistischen Vergangenheit aufräumen – 22 Jahre nach dem Sturz des Diktators Ceausescu. Doch hinter dem vermeintlichen Wunsch nach Aufarbeitung stehen innenpolitische Machtspiele.

Schon der Zeitpunkt wirkte wie eine Farce: Vergangene Woche verabschiedete das rumänische Parlament ein Gesetz, mit dem Funktionäre des Ceausescu-Regimes fünf Jahre lang von öffentlichen und politischen Ämtern ausgeschlossen werden. So will das Land mit seiner kommunistischen Vergangenheit aufräumen – 22 Jahre nach dem Ende der Ceausescu-Diktatur. Doch das war nur eine von vielen Merkwürdigkeiten.

In die Liste der Personen, für die das so genannte Lustrationsgesetz gilt, waren auch ehemalige Führungsmitglieder des kommunistischen Jugendverbandes UTC aufgenommen worden. Nach der Abstimmung fiel Vertretern der Regierungsmehrheit im Parlament plötzlich auf, dass der erst seit einem Monat amtierende rumänische Ministerpräsident Mihai Razvan Ungureanu als Schüler und Student von 1985 bis 1989 Kandidat des UTC-Zentralkomitees gewesen war – und folglich zurücktreten müsste. Hastig wurde das Votum wiederholt, per Eilantrag strichen die Abgeordneten dabei die Kategorie UTC aus dem Gesetz. Der kommunistische Jugendfunktionär von einst darf nun Regierungschef bleiben.

Die Sperre gilt ohnehin nur für Ernennungen in Ämter, nicht bei Wahlen: Ehemalige hochrangige KP-Funktionäre oder Securitate-Offiziere, die einst Ceausescu-Gegner verfolgten, dürfen beispielsweise keine Abteilungsleiter in Behörden werden, wohl aber als Parlamentsabgeordnete oder für das Amt des Staatspräsidenten kandidieren.

Eine siebenjährige Odyssee hat das Gesetz hinter sich. Eingebracht ins Parlament 2005, votierten die Abgeordneten erstmals im Mai 2010 dafür. Kurz darauf erklärte es das Verfassungsgericht für verfassungswidrig. Von der jetzigen Version ist einer der Mitautoren des ursprünglichen Textes, der Historiker Marius Oprea, enttäuscht. Es sei zwar besser als gar nichts, sagt Oprea, „aber es ist natürlich nicht das, was wir wollten“. Der 48-Jährige wird in Rumänien als „Jäger der Securitate“ apostrophiert, er dokumentierte zahlreiche Verbrechen des berüchtigten Geheimdienstes und publizierte Listen hunderter Securitate-Offiziere mit biografischen Angaben.

Dass das Lustrationsgesetz gerade jetzt noch einmal verabschiedet wurde, erklärt Oprea mit der aktuellen innenpolitischen Konjunktur. Im November sind Parlamentswahlen. Im Wahlkampf, so Oprea, könnten sich der Staatspräsident Traian Basescu und seine regierende liberaldemokratische Partei zu Kämpfern gegen alte kommunistische Seilschaften stilisieren.

Zwar wird das Thema wohl keine zentrale Rolle im Wahlkampf spielen. Bedeutsam ist es dennoch. Umfragen zeigen immer wieder, wie tief vor allem die letzten Jahre der Ceausescu-Diktatur und der Sturz des krankhaften Tyrannen noch heute das Bewusstsein der Gesellschaft prägen: So etwa gaben in einer aktuellen Studie des Institutes CSOP 51 Prozent der Befragten an, Rumänien habe das Erbe des Kommunismus nur in geringem Maße oder gar nicht überwunden.

Zwar steht Rumänien mit der mangelnden Aufarbeitung seiner kommunistischen Vergangenheit keineswegs allein da. Doch angesichts der außergewöhnlichen Brutalität der Ceausescu-Diktatur ist das für viele besonders schmerzhaft. Die Partei- und Geheimdienst-Elite konnte sich unbeschadet ins neue System retten. Erst 1999 wurde beispielsweise der „Rat zum Studium der Securitate-Archive“ (CNSAS) gegründet, die rumänische Aktenöffnungsbehörde. Doch bis sie auch tatsächlich in den Besitz der Akten gelangte, dauerte es weitere sechs Jahre.

Dennoch sieht man bei der Behörde die Verabschiedung des Lustrationsgesetzes eher positiv. „Lieber spät als gar nicht“, sagt Claudiu Secasiu, einer der zwölf Direktoren im CNSAS-Leitungsgremium. Auch die Aktenöffnung habe 1999 mit einem verwässerten Gesetz begonnen, so Secasiu, vielleicht komme auch der Lustrationsprozess zunächst nur schwer in Gang.

Anders urteilt der aus Rumänien stammende Schriftsteller Richard Wagner, Anfang der 1970er Jahre einer der Mitbegründer des oppositionellen literarischen Zirkels „Aktionsgruppe Banat“. Er empfindet das Lustrationsgesetz „wie Nippes in der Vitrine“. „Was soll das nach 22 Jahren“, fragt sich Wagner. „Das ist doch nur gut, um nach außen eine Fassade der Demokratie zu zeigen.“

Weitere Artikel