Wahlen entscheiden über Bosniens Zukunft
Im bosnischen Wahlkampf geht es 15 Jahre nach dem Krieg um dringend nötige Reformen, noch mehr aber um die persönliche Glaubwürdigkeit der Kandidaten. Die machten in den vergangenen Jahren durch Korruptionsskandale von sich reden, während notwendige Reformen im Sumpf ethnischer Rivalitäten stecken geblieben sind. Die Politikverdrossenheit ist hoch, die erwartete Wahlbeteiligung mit 50 Prozent gering. Und die Wahlsieger stehen größtenteils bereits fest.
3,1 Million Bosnier sind am 3. Oktober zu den Urnen gerufen. Zur Wahl stehen die drei Mitglieder des gesamtstaatlichen Präsidiums, das gesamtbosnische Parlament und die Parlamente der beiden Teilrepubliken - der bosniakisch-kroatische Föderation auf der einen und der mehrheitlich serbischen Republika Srpska auf der anderen Seite. Außerdem werden die Parlamente der zehn Kantone innerhalb der bosniakisch-kroatischen Teilrepublik und das Parlament des Sonderverwaltungsdistriks Brcko neu gewählt.
Wie vor vier Jahren versprechen die Parteien, Korruption zu bekämpfen, Wirtschaft und Bildung zu reformieren und die Infrastruktur zu verbessern - Reformen, die nötig sind, um ausländische Investoren anzuziehen und damit auch der Lebenssituation vieler Bosnier zu verbessern. Doch zuvor muss die Verfassung in Bosnien reformiert werden, weil in dem streng nach ethnischem Proporz organisierten Land die Vertreter einzelner Volksgruppen immer wieder wichtige Gesetzesvorhaben blockieren. Während multiethnisch orientierte Parteien argumentieren, eine Zentralisierung der Verwaltung sei der einzige Weg, das Land wieder handlungsfähig zu machen, liegen in den Umfragen mehrheitlich nationalistische Parteien vorn, welche die Rechte der eigenen Ethnie stärken wollen – bis hin zur Abspaltung.
Perfektioniert hat dieses Spiel Milorad Dodik von den serbischen Unabhängigen Sozialdemokraten (SNSD) und Ministerpräsident der Republika Srpska. Er forderte zum Wahlkampfauftakt ein Referendum zur Unabhängigkeit seiner Teilrepublik. Die Drohung ist nicht neu, Dodik hat damit in den vergangenen Jahren die Kosovo-Verhandlungen erschwert und mehrfach innenpolitische Krisen in Bosnien geschürt. Seine Wiederwahl gilt als sicher, ebenso wie der Einzug seines Parteigenossen Nebojsa Radmanovic als serbischer Vertreter im gesamtstaatlichen Präsidium.
Im bosniakisch-kroatischen Landesteil hingegen hat die multiethnische Sozialdemokratische Partei ein Drittel der Wähler hinter sich. Ihr Präsidentschaftskandidat, der Amtsinhaber Zeljko Komsic, tritt für den kroatischen Präsidiumsposten an und hat gute Aussichten auf Wiederwahl: Das liegt auch daran, dass Komsic die Sympathien nicht nur die Sympathien seiner kroatischen Landsleute, sondern auch vieler bosnischer Muslime genießt, die ihn schon in der letzten Wahl mit ihren Stimmen unterstützt haben. Komsics abgeschlagene Gegenkandidatin Borjana Kristo von der kroatisch-nationalistischen HDZ ruft die Muslime deshalb seit Wochen auf, sich bei der Stimmabgabe auf die „eigenen“ Kandidaten zu beschränken.
Bei den bosniakischen Kandidaten ist der Wahlausgang vergleichsweise ungewiss. Nachdem der Medienmogul Fahrudin Radoncic, Inhaber der auflagenstärksten bosnischen Tageszeitung, jahrelang in Kampagnen die Regierung kritisiert hat, tritt er jetzt selbst als Präsidentschaftskandidat an und verspricht wirtschaftliche Verbesserungen. „Ein erfolgreicher Mann für ein erfolgreiches Bosnien“, so der Slogan seiner Partei SBB BiH, die sich als Stimme der Bosniaken versteht. Umfragen zufolge wird er sich ein Kopf-an-Kopf-Rennen mit dem bisherigen Amtsinhaber Haris Silajdzic von der multiethnischen, muslimisch dominierten Partei für Bosnien (SBiH) liefern.
Trotz Stimmenzuwachs für die Opposition gilt es als wahrscheinlich, dass nationalistische Parteien auch diese Wahl gewinnen. Besonders die unter 30-Jährigen sind deshalb schwer zum Urnengang zu motivieren. „Ich glaube nicht, dass die Wahlen etwas Gutes bewirken“, meint eine junge Bosnierin, „daran ändert auch meine Stimme nichts“.