Belarus

Mysteriöser Tod eines Journalisten

Der belarussische Journalist Oleg Bebenin wollte bei den kommenden Präsidentschaftswahlen eine wichtige Rolle für die Opposition spielen. Anfang des Monats wurde der 36jährige jedoch in seinem Wochenendhaus erhängt aufgefunden. Seine Kollegen schließen einen Selbstmord aus. „Es ist unmöglich, dass Oleg Selbstmord begangen hat – mit Sicherheit nicht!“, sagt die regimekritische weißrussische Journalistin Ludmila Zach. Sie arbeitet von Warschau aus für die von Bebenin gegründete Oppositions-Webseite Charter97und hatte ihren Kollegen noch ein paar Tage vor seinem Tod getroffen.

„Oleg war in sehr guter Verfassung“, sagt die Journalistin. „Er war körperlich und geistig absolut gesund“, sagt sie. Sie hätten noch über seinen Urlaub in Griechenland geplaudert, den er zusammen mit seiner Frau und seinen kleinen Kindern im August dort verbracht hatte.

Zach kennt Bebenin seit 13 Jahren und weiß, wie sehr er daran geglaubt hat, dass sich endlich Demokratie und Freiheit in seiner Heimat durchsetzen. „So jemand bringt sich doch nicht wenig später um“, sagt sie. „Nur dann, wenn sie ihn in den Selbstmord getrieben haben – unter Androhung, seine Kinder zu quälen“, vermutet die Journalistin.

Laut Zach liegt die Vermutung nahe, dass Bebenin Opfer der sogenannten Todesschwadronen des autoritären Staatschefs Alexander Lukaschenko geworden ist. Es handelt sich dabei um die Handlager des Diktators, die in der Vergangenheit immer wieder Journalisten, Regimegegner oder auch Privatleute bedroht und ermordet haben.


Oleg Bebenin arbeitete für die kritische Website Charter97. Er wurde erhängt aufgefunden / Sebastian Becker, n-ost

Auf der Rangliste der Pressefreiheit der internationalen Organisation Reporter ohne Grenzen steht Belarus auf dem 151. Platz von insgesamt 175 Staaten. „Die Umstände des Todes von Bebenin sind dubios“, sagt Anja Viohl, die Sprecherin der Organisation. „Wir fordern eine umgehende, transparente und unabhängige Untersuchung des Falls, es muss in alle Richtungen ermittelt werden.“ Auch der Präsident des Europäischen Parlaments Jerzy Buzek forderte das Land auf, den Tod umfänglich zu untersuchen.

In den vergangenen Monaten hat Reporter ohne Grenzen eine massive Verschlechterung der Pressefreiheit in Belarus beobachtet. „Der Tod von Bebenin hat unsere Sorge verstärkt, dass sich die Situation in dem osteuropäischen Land weiter dramatisieren könnte“, sagt Viohl. Denn am 19. Dezember 2010 wird im autoritär regierten Weißrussland ein neuer Präsident gewählt. Die Regierung Lukaschenko hat bereits jetzt den Druck auf die Opposition und die Medien erhöht.

Die regimekritische Webseite Charter97 hat Lukaschenko schon länger im Visier. Die Redaktion in Minsk sah sich in der Vergangenheit immer wieder den Repressalien der Behörden ausgesetzt: „Im März ist der Geheimdienst in die Redaktion eingedrungen, hat Computer in Beschlag genommen und meine Kollegin Natalia Radina brutal attackiert“, berichtet die Journalistin Ludmila Zach.

Lukaschenko regiert das Land seit 1994. Seine Wiederwahl im Jahr 2006 hatte Massenproteste der Opposition ausgelöst. Bei den diesjährigen Wahlen steht Lukaschenko zusätzlich unter Druck. Der Diktator verliert zunehmend die Unterstützung seines Bündnispartners Russland, das sein Regime bislang unterstützte. Für Konflikte sorgt ein Streit über die Gasverträge mit Moskau. Dem Land droht möglicherweise ein Winter ohne Wärme. Das könnte Lukaschenko erhebliche Einbußen bei den Wahlen bringen.


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