Slowakei

Trauer und Streit nach Amoklauf

Das Land steht unter Schock. Vor dem Haus, in dem nahezu alle Toten lebten, brennen seit Tagen Kerzen. An der Fassade, in der die Einschüsse unübersehbar sind, sind Fotos der Ermordeten angebracht worden. Doch in die landesweite Trauer mischt sich bereits ein Streit. Er entzündet sich an der Frage, wie solche Geschehnisse künftig verhindert werden können. Und daran, ob der Täter aus rassistischen Motiven gehandelt hat. Letzteres ist noch immer unklar.

Sechs der sieben Opfer, die der Mörder auf seinem Gewissen hat, stammen aus einer Romafamilie. Mithin aus der großen Minderheit, die bei vielen „weißen“ Slowaken nicht wohl gelitten ist. Wie tief die Vorurteile sitzen, wurde in Debatten im Internet deutlich. Da schrieb unter anderem eine Diskutantin namens Lenka direkt Premierministerin Iveta Radicova an: „Es erscheint mir ungerecht, Staatstrauer für irgendwelche Roma abzuhalten, die das ruhige Leben normaler Menschen terrorisieren und in Mitleidenschaft ziehen. Bei den Toten handelte es sich um eine problematische Familie, die ihre Nachbarn physisch und psychisch terrorisierte. Was muss eigentlich noch passieren, bis gegen solche Leute eingegriffen wird?“ Zufälligerweise hatte der Fernsehsender Markiza vor fünf Jahren eine Reportage in dem Haus in der Vorortsiedlung gedreht. Seinerzeit sprachen die Nachbarn hochachtungsvoll von der Romafamilie, die jetzt ausgelöscht wurde.

Die Reaktion der Premierministerin auf solche und ähnliche Vorhaltungen war ungewöhnlich scharf: „Unterscheiden wir jetzt bei Toten schon nach der Hautfarbe? Rechtfertigt die Tatsache, dass wir mal die Nerven verlieren, dass wir morden?“, antwortete Radicova im Netz.

Der Mordschütze Lubomir Harman, soviel weiß man inzwischen, war ein 48-jähriger Sportschütze und Hobbysammler von Waffen. Er besaß unter anderem eine Maschinenpistole tschechischen Typs, mit der nicht nur einzelne Schüsse, sondern auch ganze Salven abgefeuert werden konnten. Letzteres ist eigentlich verboten; gemeinhin ist die Dauerfeuerfunktion bei Waffen für Sportschützen blockiert. Mit ganzen Salven streckte der Amokläufer alle Mitglieder der  Romafamilie nieder und schoss anschließend in seinem Wohngebiet auf alles, was sich bewegte. Von der Polizei in die Enge getrieben und selbst schwer getroffen, tötete er sich schließlich selbst.

Der christdemokratische Innenminister Daniel Lipsic hat als erste Reaktion die schwere Bewaffnung der Polizeistreifen angeordnet. Und er kündigte eine umgehende Verschärfung des Waffengesetzes an. Alle automatischen Waffen sollen künftig verboten werden. Waffenbesitzer sollen sich zudem alle fünf Jahre einem psychologischen Test unterziehen.

Die Sportschützenlobby ging sofort auf die Barrikaden. „Das läutet das Ende unserer Zunft ein“, beklagte sich Jozef Gajdosik, der Vorsitzende des Sportschützenvereins in Nitra, gegenüber der Tageszeitung Sme. Die Reaktion der Politik sei „tragisch, wenn nicht hysterisch“. Minister Lipsic konterte: „Sportschießen ist ein wunderbarer Sport. Aber hier geht es in erster Linie um die Sicherheit der Bürger. Hinter der hat alles andere zurückzustehen.“

Für die psychologischen Tests fand der Minister dagegen Beifall. Der Vizechef des Verbandes der slowakischen Psychologen, Karol Kleinmann, sagte: „Diese Tests haben wir lange erhofft. Man kann bei Waffenbesitzern unmöglich so großzügig sein, wie wir das bisher waren.“ Kleinmann erinnerte daran, dass diese Untersuchungen Anfang der 1990er Jahre verpflichtend gewesen seien. Zwischen 1993 und 1995 habe man 180.000 Waffenbesitzer durchgecheckt. Sie seien später von der Regierung abgeschafft worden, weil sie angeblich zu teuer gewesen seien. Eine Tatsache, die auch die Sportschützenfunktionäre bedauern. „Dabei“, so Sportschütze Gajdosik, „hat ein solcher Test gerade mal 30 Euro gekostet.“


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