Wenn Oligarchen mit dem Fußball spielen
Üblicherweise macht der Chef der Europäischen Fußball-Union (UEFA) Michel Platini nach jedem seiner Besuche im Co-Gastgeberland der Fußballeuropameisterschaft 2012 ein genervtes Gesicht. Denn während die Vorbereitungen in Polen zumindest zufriedenstellend vorangehen, haben sie sich im Partnerland Ukraine zwischen wechselnden politischen Verhältnissen und dem Einfluss korrupter Oligarchen verfangen. „Eines der Probleme ist wohl, dass die Ukraine kein EU-Mitglied ist“, sagte Platini vor einiger Zeit in Warschau. „Es wäre sicher eine Option, sechs Spielorte in Polen zu bestimmen“, ergänzte er schließlich noch in diesem Sommer.
Inzwischen hat Platini zur neutralen Mimik des Fußballdiplomaten zurückgefunden. Zuletzt lobte er die Ukraine und gab ein klares Bekenntnis zu dem Gastgeberland ab. „In den letzten fünf Monaten sind erhebliche Fortschritte gemacht worden”, sagte der UEFA-Chef in der vergangenen Woche in Monaco. Die acht Stadien würden pünktlich fertig, betonte Platini. Unterdessen bereitet man in Polen – nach Absprache mit der UEFA, wie es dort heißt – zwei weitere Spielorte zu den ursprünglich geplanten Spielstätten in Warschau, Posen, Danzig und Breslau vor. Die UEFA geht auf Nummer sicher: Denn nach wie vor gibt es an allen der vier geplanten ukrainischen Spielorten Kiew, Donezk, Charkow und Lemberg (Lwiw) erhebliche Probleme.
In der westukrainischen Stadt Lemberg ist der geplante Stadion-Neubau auf Eis gelegt. Sogar das angerückte österreichische Bauunternehmen Alpine ist wieder abgezogen. Der Grund für die Verzögerungen ist ein Streit zwischen dem regionalen Oligarchen Piotr Deminski, dem der Traditionsclub Karpaty Lemberg gehört, und der klammen Stadt. Deminski ist zur Zeit in einen Manipulationsskandal verwickelt, der die ukrainische Premier-Liga erschüttert: Karpaty wurde im August wegen eines verschobenen Spiels gegen Metalist Charkow mit einer Geldstrafe und einem Punktabzug belegt. Zuvor hatte Deminski versucht, die Stadt Lemberg zu erpressen. Für seinen Einsatz beim Stadionbau wollte er die besten Grundstücke Lembergs erhalten. Auch der Vereinsgeschäftsführer Alexander Jefremow, der wegen seiner Verwicklung in den Manipulationsskandal für ein halbes Jahr von seinem Amt als Liga-Boss suspendiert wurde, setzte die Stadt immer wieder unter Druck. „Eigentlich wollten wir uns an dem Stadionbau beteiligen. Die Stadt wollte unsere Bedingungen nicht akzeptieren“, sagte Jefremow. Lange war der Vereinsgeschäftsführer davon ausgegangen, dass die klamme Stadtverwaltung ihre Haltung ändern würde.
Weil die Stadt sich aber von dem Oligarchen nicht erpressen ließ, hat die UEFA bereits das polnische Krakau als Ersatzort vorgesehen. Dort modernisiert Alpine inzwischen das Stadion des lokalen Vereins Wisla Krakau. Zusätzlich wird das schlesische Königshütte (Chorzow) auf EM-Standard gebracht. Anders als in der Ukraine sollen in Polen sämtliche Spielorte durch ein neues Autobahnnetz verbunden werden. In der Ukraine mangelt es dagegen an der Infrastruktur: In Lemberg etwa gibt es keine Hotels, die internationalen Standards genügen, der Flughafen ist zu klein. Eine Autobahn existiert nicht, die Stadt ist durch Vetternwirtschaft und Korruption gelähmt.
Die UEFA ficht das bislang nicht an. „Für die inneren Verhältnisse ihrer Mitgliedsländer interessiert sie sich nicht. Sie toleriert Korruption und fördert sie dadurch“, sagt der Berliner Publizist Jens Weinreich, der sich seit Jahren mit Korruption im Fußball beschäftigt. Auf dem Index der Anti-Korruptionsbehörde Transparency International steht die Ukraine im europäischen Vergleich ganz unten. Je näher die EM 2012 rückt, desto schlechter wird die Situation, weil die Oligarchen hemmungslos an dem Turnier verdienen wollen.
Neben Deminski und einigen anderen ist das vor allem Grigori Surkis. Der ehemalige Boss von Dynamo Kiew ist Chef des nationalen ukrainischen Fußballverbandes. Ohne ihn wäre die Europameisterschaft niemals nach Osteuropa gekommen. Dafür hat Surkis bei Platinis Wahl die osteuropäischen Stimmen für den Franzosen organisiert.